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Kölsch ist anerkannte Bier-Spezialität (1970-1980)

Interview mit Hans Sion

Hans Sion
Hans Sion

von Franz Ludwig Mathar

... Wo lagen denn die Wurzeln in der Produktgestaltung des modernen Kölsch, was für Überlegungen standen dahinter?

"Ich möchte hier einmal festhalten, unser Bestreben war ein helles hopfenbetontes obergärige Vollbier zu entwickeln, was das etwas dunklere, mehr süße Kölsch alten Typs ablösen sollte, Das ging natürlich nicht von heute auf morgen und es mußten viele verschiedene Menschen, aus Technik und Vertrieb erst einmal überzeugt werden. Denn das neue Bier war ein vollkommen neues Produkt, an das sich auch der Konsument erst gewöhnen mußte."

"Als ich in München studierte, war fast das gesamte Bier dunkel. Wenn die von hellem Bier sprachen, war das eine ganz große Ausnahme. Das ist auch ein Hinweis, den habe ich bisher gar nicht so beachtet, daß wir uns mit dem Kölsch nach dem zweiten Weltkrieg auf ein helles Bier konzentriert haben, war das eine mutige Entscheidung. Es war zum Glück so, daß dies die einheitliche Auffassung war."

… Wie sollte dann ein echtes Kölner Brauhaus geführt werden?

"Diese Dinge, wie eine persönliche Ansprache, die muß man pflegen. Jedes Brauhaus muß eine Seele haben, sonst ist es nur ein Bier-McDonald und die sind dann auch beliebig austauschbar. Ich begrüße, daß Päffgen, die Malzmühle und verschiedene andere das noch pflegen. Das liegt bei uns und bei Früh etwas anders, die Lage und die andersgeartete Kundschaft vertragen das nicht so ganz. Im Brauhaus Früh verkehrten ja schon immer mehr Touristen. Wenn man auf das Land kommt und fragt was ist Kölsch, sagen die immer Früh. Die Leute aus dem Umland waren darauf eingestellt, wenn sie nach Köln kamen, gingen sie "zum Früh". Eine Marke wird natürlich heute modern gemanagt und produziert, aber das Dach darüber muß menschlich bleiben. Ein gutes Beispiel ist der Name Dr. Oetker in Bielefeld. Jeder weiß dort, daß es noch eine Familie Oetker gibt, das gibt der Marke etwas menschliches.

... Wie weit ist Kölsch denn im Rheinland verbreitet. Wo beginnt es und wo hört es auf?

"Da habe ich eine eigene Definition, von "Süd-Rhein-Westfalen" bis "Nord-Rheinland-Pfalz". Es ist in etwa das frühere Kurköln, die Ahr bis Koblenz und auf der anderen Seite das Gebiet noch bis Erpel, Unkel, Linz, da ist ungefähr das Ende. Durch die Neuaufteilung der Bundesländer, die etwas willkürlich war, wurden das Rheinland, unser Stammgebiet auf zwei Bundesländer aufgeteilt. Eine genaue Abgrenzung gibt es heute natürlich nicht, den Kölsch gibt es heute auf Sylt und in Südtirol, in Berlin und auf den Balearen. - Aber das ist ja nicht schlimmes."

... Gibt es Wiederholungen in den wirtschaftlichen Abläufen in unserer Zeit?

"In einem Protokoll der Berliner Brau-Akademie von 1904 war ein Referat eines Brauers aus Franken, das damit begann: "Meine Herren, wir leben in einer merkwürdigen Zeit. Die Leute wollen Bier ohne Alkohol, Zigarren ohne Nikotin und Ehen ohne Kinder. Sie wollen gerne etwas tun aber für ihr Tun nicht einstehen" - der Schreiber dieser Zeilen war ein weitblickender Mann. In den alten Geschäftsberichten fand man öfters den Satz, die Konkurrenz ist schuld, weil sie nicht nachgezogen hat, die Rohstoffe oder das Futter für die Pferde waren zu teuer. Oder das Bier kam nicht mehr so richtig an, weil es neue gesetzliche Bestimmungen gab und Ähnliches mehr. Ich habe mir einmal die Zeit genommen, diese alten Berichte durchzulesen. Die entschuldigenden Sätze - in Variationen - waren etwas, was sich immer wiederholt hat. Für die Alten, die das alles miterlebt haben, waren es alte Hüte. Für die Neuen ist in gewissen Sinne alles neu oder "Es ist alles schon einmal dagewesen". Doch ich sage immer jedem der es hören will: Einen guten Rat anzunehmen, das ist das billigste Kapital, das man sich verschaffen kann."

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...Wie wurde nun Kölsch zur anerkannten Bier-Spezialität?

"Das Kölsch ist für mich mehr als Wasser und Alkohol. Das ist Identifikation, Ambiente und Heimatduft. Ich sage immer, der Duft von einem Sauerbraten ist der Geruch von gebratenen Stück Fleisch. Aber man riecht und assoziiert da viel mehr. Das ist der Duft von einem Stück Heimat und Kölscher Gemütlichkeit, da sind Erinnerungen mit Verbunden und vieles mehr."

... Gab es verschiedene Modelle um die Marktführerschaft des Kölsch durchzusetzen?

"Reissdorf hat im Gegensatz zu anderen mehr Faßbier und davon wird auch mehr als Zweidrittel von Großhändlern vertrieben. Die hatten das unverschämte Glück, zu einem Zeitpunkt X mit kapitalkräftigen Großhändlern zusammenzukommen. Sie haben in der Innenstadt nur ganz wenige eigene Kunden, die sie direkt beliefern. Sie haben aber mehrere finanziell starke Großhändler, die auch gleichzeitig potente Pilsbrauereien vertreten. Diese wiederum hat ein Vertriebssystem, das in Deutschland heute (1990) für Brauereien ziemlich einmalig ist, denn die haben früher genauso gehandelt wie Markenartikler, die einen Regierungsbezirk oder ein bestimmtes Gebiet unter Vertrag haben. Da durfte kein anderer reinliefern und das haben sie beihalten können. Es bestand ebenfalls eine Vereinbarung zwischen Bitburg und der König-Brauerei, daß die sich auch die Gebiete in der Bundesrepublik aufgeteilt haben. Bitburg lieferte nur im Süden und König nur im Norden. Der Main war die Grenze und das haben die beiden jahrzehntelang einhalten. Nun hatte die König-Brauerei nachher in Baden-Baden Eigentum und ging dann auch in den Tessin, da hatte sie auch eine Menge Geschäfte. Heute haben sie auch dort Großhändler. Die Bitburger ist zwar später auch mit einzelnen Objekten nach Norden gegangen, die beiden haben sich aber immer irgendwie arrangiert. Es sind ja zwei Privatfamilien, die untereinander persönlichen menschlichen Kontakt haben. Das darf man nicht vergessen. Diese Dinge hätten wir in Köln auch praktizieren können. So zum Beispiel die Dom-Brauerei hätte ihren ganzen Ausstoß hier in Köln an einen einzigen Großhändler verkaufen können. Zu Lebzeiten des alten Vaters Harzheim, der war darauf ganz scharf, daß nur er das Kölsch verkaufen könnte. Das wollte er schon mit der Sester-Brauerei machen, aber die Dom hat dem Harzheim nur zwischen 20.000 und 25.000 Hektoliter Bier pro Jahr geliefert - im Tank. Mathias Harzheim war einer der ersten, der als Allein-Importeur für Pilsner Urquell mit den Tankstransporten anfing. Wir haben damals zusammengesessen und gesagt, daß kann doch nicht gut gehen. Wir hatten ja noch immer unsere Lagerkeller im Gedächtnis, mit den Holzfässern. Dann haben die Importeure das Bier aus der Tschechoslowakei hier rübergeholt und vom Tankfahrzeug in einen Tank, und dann vom Tank ins Faß und in Flaschen abgefüllt. Das war für uns alle erst einmal gewöhnungsbedürftig, heute ist das eine Selbstverständlichkeit und stört keinen mehr."

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... Warum sind die Kölner nie mit Kölsch in den Export gegangen?

"Weil gutes Bier immer nur um den Brauereischornstein herum getrunken werden soll - sagen die Traditionalisten. - Aber Spaß beiseite, es tut mir auch immer weh, wenn ins benachbarte Ausland komme, wo auch gestandene Biertrinker wohnen und nirgendwo eine Flasche Kölsch sehe, aber viel Bitburger. Das kommt wahrscheinlich aus der Vergangenheit. Die Wicküler waren ja der Vorreiter für das Flaschenbier, und das Flaschenbier ist ja dann doch die erste Station um in einen Markt einzudringen, dann kommen erst die Gaststätten mit dem Faßbier. Ich bin der Meinung, das hat daran gelegen, daß wir bei dem Flaschenbier mit dem Kölsch immer sehr zögerlich waren. Bei den Braumeistern gab es da Bedenken bezüglich der Haltbarkeit, die sagten: "Obergäriges in der Flasche, das klappt nie." Auch die Filter und so etwas, das gab es ja noch nicht und da hatte man immer Angst. Aber heute tut sich doch noch immer nichts. Auch das Liefern von Kölsch in den Osten (1990) hat seine Tücken, ich meine, wenn die in einem Jahr neue Maschinen haben, können die genau so gut Bierbrauen wie wir. Das Braugewerbe ist die einzige Branche die drüben im Osten wieder schnell Tritt fassen wird. Deshalb sollten wir uns hier um unsere eigenen Dinge kümmern, und nicht wie einige Brauereien, die zur Zeit in diese Gegenden ausschwirren, die sind heute schon dabei wieder zurückzuschwirren. "Drüben, jenseits der Grenze in Holland haben die auch ein Gefühl für solche Empfindungen. Es wird ja immer darauf hingewiesen, daß wir das Land im letzten Krieg überfallen und viel Schaden angerichtet haben. Wenn man sagt, man kommt aus Deutschland, bleiben die meistens sehr reserviert, aber wenn man sagt man kommt aus "Keulen", hat man sofort Kontakt. Selbst bei den "steifen" Holländern aus Zeeland, wenn man sagt, daß man aus "Keulen" kommt, ist man dort akzeptiert, ist man in der Familie. Ich vermute, weil wir ja alle "Niederdeutsche" sind. In meiner Kindheit fuhren wir viel nach Holland an die See in die Ferien. Ich hatte immer das Gefühl, daß die Holländer uns Deutschen gegenüber eine gewisse Reserviertheit zeigten, bis man sich dann angefreundet hatte, dann war es gut. Die Holländer trinken nicht soviel Bier, obwohl Heineken die größte Brauerei Europas ist. Aber das geht hauptsächlich in den Export. Als ich in Brüssel war, hat mir ein Mann von Heineken gesagt, wenn sie irgendwo auf der Welt, wo es Export-Bier gibt und nicht ihr Bier, bekommen sie von mir 100 Dollar. Ich habe immer wieder gesucht, aber es war immer Heineken dabei."

"Ich hatte auch zu den belgischen Brauern gute Kontakte. Ich frage mich heute nur, warum wir nie in den belgischen Ostkantonen mit den Kölsch reingegangen sind, oder zu den Holländern in die Provinz Limburg. "Besonders mit den belgischen Brauereien und ihrem damaligen Präsidenten Martens hatte ich einen guten Kontakt. Ich frage mich heute, warum wir nie in die Belgischen Ostkantone, das Gebiet um die Städte Eupen, Malmedy und St. Vith, hineingegangen sind? Die Entfernung kann es ja nicht sein, denn man ist ja viel schneller von Köln aus in Maastricht, als in Dortmund."

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