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Heutige Braukultur und ihre Wurzeln

Hopfen und Malz – Gott erhalt’s - Dieser alte traditionelle Brauerspruch soll auch hier am Anfang dieser Einführung ins Thema Bier stehen, obwohl er in dieser Form erst seit dem 15. Jahrhundert seine Gültigkeit hat, denn das Ur-Bier, der gegorene Getreidesaft, ist viele Jahrtausende älter, eine kulturelle Errungenschaft des Menschen, die ihren ersten Nachweis im Zweistromland, dem Gebiet zwischen Euphrat und Tigris in Vorderasien hat. Bier war Genuss- und Nahrungsmittel, das aus den vorhandenen Rohstoffen, ersten primitiven Gersten und Weizensorten hergestellt wurde. Der Prozess ist denkbar einfach. Geröstete Brotfladen wurden in Feuchtigkeit eingeweicht und vergoren. Das Resultat war ein trübes alkoholisches Getränk, das durch Rohre aus Krügen getrunken wurde. Der Rest des ungefilterten Getränks blieb so in den Krügen zurück. Die Luftgärung entstand durch das Vorhandensein von Keimen im Fladenbrot und Bakterien in der Luft. Erstes schriftliches Dokument über das Brauen findet man im Museum Louvre in Paris Es sind einige 6000 Jahre alte Tontäfelchen, gefunden von einem Herrn Bleu (Blau) in Mesopotamien, dem Gebiet des Sumerer-Reiches, auf denen festgehalten ist, wie das Bier, das der Fruchtbarkeitsgöttin Nin-Harra geopfert wurde, zu brauen war. Nin-Harra gilt so, nicht zu Unrecht, als erste Göttin des Bieres. Auch erste Gewürze und Geschmacksstoffe wie Zimt und Honig wurden von den Sumerern bereits dem Bier beigemischt.

Den Sumerern folgten im 2. Jahrtausend v. Chr. die Babylonier, bekannt aus der Bibel und dem alten Testament. Dieses hochbegabte Volk, Erfinder vieler heute noch gültigen zivilisatorischen Errungenschaften, perfektionierte auch das Brauwesen bis in die kleinsten Einzelheiten. Es gab 20 verschiedenen Sorten Bier aus Gerste, Weizen und einer Mischung aus beiden Getreidearten. Es gab strenge Schankverordnungen und medizinische Anwendungen. Nach wie vor war aber auch die Verwendung des berauschenden Getränkes bei allen religiösen Handjungen einer der Gründe zur Herstellung dieses uralten Kulturtrankes. Wie prägend die Erfindung des Bieres für die Entwicklung der Menschheits-Geschichte ist, zeigt eine 4000 Jahre alte Wortstafette, die aus der Zeit der Babylonier bis in unseren heutigen Wortschatz reicht. Die Babylonier nannten ihr Bier "sikaru". Als die biblischen Hebräer in die Babylonische Gefangenschaft geführt wurden, übernahmen sie das Getränk und nannten es shekar. Dieses Wort bedeutete in der hebräischen Sprache berauscht sein. Dieses Wort "shekar" (oder "shikar") fand als jiddisches Lehnwort seinen Weg in unsere Umgangssprache als "schicker" sein, wenn jemand ein Glas zuviel getrunken hat.

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Die nächste Station in der allgemeinen Biergeschichte führt nach Ägypten in die Zeit der Pharaonen. Diese kultivierten das von den Babyloniern übernommene berauschende Getränk zu einer nie da gewesenen Blüte. Auf umfangreichen Wandmalereien findet man die Wiedergabe eines gesamten Brauprozesses, von der Herstellung der Krüge bis zum fertig vergorenen Bier. Es gab Normal-Biere (Zythos) und Starkbiere (Dizythos), es wurde gefärbt (mit Safran) und gewürzt (mit Honig und Anis). Arm und reich trank es, und selbst Sklaven erhielten ihre Tagesration von zwei Krügen. Bier war Sold für das Militär, Arbeitslohn, Kulttrank und Grabbeigabe. Später erhob die Regierung, auch das eine Novität, die erste Biersteuer der Geschichte, um der allgemeinen Trunksucht Herr zu werden. Böse Zungen behaupteten schon damals, das Geld habe lediglich dazu gedient, neue Pyramiden zu errichten. Die Griechen und Römer konnten dem Bier nicht so viel abgewinnen, wie man aus den abfälligen Kommentaren ihrer Geschichtsschreiber ersehen kann.

Dafür liebten die Kelten und ihre germanischen Nachbarn den Gerstensaft umso mehr. Um die Jahrtausendwende verbreitete sich das Bier besonders in Zentral- und Mitteleuropa. Die Germanen übernahmen es von den Galliern (Kelten) und die germanischen Hilfstruppen des Julius Caesar brachten es nach England. Der römische Geschichtsschreiber Cornelius Tacitus, er lebte im l. Jahrhundert (n. Chr.), beschreibt aus seiner hoch kultivierten römischen Sicht die primitiven Trinkgelage: "Sie liegen auf Bärenfellen und trinken aus großen Trinkhörnern den mit Honig versetzten Meth oder Bier. Sie können Hunger und Kälte leicht ertragen, aber nicht den Durst". Soweit Tacitus. Das Brauen war Frauensache, der Braukessel war Teil der Aussteuer jeder heiratsfähigen Germanin, und im germanischen Götterhimmel Wotans war die himmlische Braumeisterin Frigga für die Getränke zuständig. Sie war wohl die Vorkämpferin einer Jahrhunderte langen Herrschaft der Frauen am heimischen Braukessel. Das Getränk, das sie brauten, wurde mit allerlei Waldkräutern, Rinden und Beeren gemischt. Diesen für ihre feinen Gaumen diabolischen Trank nannten die Römer cervisia, den sie als barbarische Entgleisung verachteten. Die historische Tat der germanischen Braumeisterinnen: Sie schafften als erste eine Schaumkrone aufs Bier und verwendeten gemälztes Getreide, anstatt gebackenes Brot zu vergären.

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Mit der Ausbreitung des Christentums nördlich der Alpen begann auch das Bier seinen Siegeszug als Nahrungsmittel und Volksgetränk. Zu Beginn des Mittelalters sind es die Mönche, als einige wenige des Lesens und Schreibens mächtig, die sich um die Entwicklung der Braukunst und ihre Verbreitung verdient machten.

Der Mann allerdings, der das Bierbrauen in unseren Landen erstmals organisatorisch in Schwung brachte, war Kaiser Karl der Große. Er legte in den so genannten "Capitularien" gesetzlich fest, wie die Ausbildung der Brauer, Anbau und Bereithaltung der Rohstoffe, Qualität und Quantität der Biere und die Anzahl der Brauereien zu sein hatten. Diese Anordnungen galten für den karolingischen Herrschaftsbereich, der sich ja fast auf das gesamte westliche Europa erstreckte. Doch auch das nachfühlbare Eigeninteresse der Mönche an dem nun inzwischen doch recht trinkbaren Gerstensaft, als Bereicherung der oftmals tristen Klosterkost und als flüssige Fastenspeise, brachten dem süffigen Mönchsbräu mehr und mehr Ansehen- und Reputation, es wurde immer mehr Vorbild für das allgemeine Braugewerbe. Als besondere Vorbilder galten die Benediktiner-Abteien St. Gallen in der heutigen Schweiz und Weihenstephan bei Freising. Im Klosterplan von St. Gallen von 814 sind die umfangreichen speziellen Brauanlagen, die für den Konsum der zahlreichen Pilger und den Eigenbedarf sorgten, deutlich zu erkennen. Um die Jahrtausendwende hat das Braugewerbe schon einen beachtlichen Standard erreicht, der das Bier allgemein zu einem ernstzunehmenden Wirtschaftsfaktor machte.

Auch in den Städten entwickelt sich das Braugewerbe im Laufe der folgenden Jahrhunderte vom familiären Bräu für den Eigenbedarf nach und nach zu professionellen Strukturen, die sich in Zünften und Bruderschaften manifestierten. Das Jahr 1396 eröffnete auf Grund seiner politischen Auswirkungen durch die Ausstellung des "Verbundbriefes" den Kölner Bürgern neue Freiheiten und den Brauern erhebliche wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten. Auch das Bier entwickelte sich weiter, das etwas obskure "Gruit-Bier" musste dem "Hoppe(Hopfen)-Bier" weichen. Bereits lange Zeit vor der Einführung des Hopfens in die Bier-Herstellung hatten die Ordensleute Albertus Magnus und Hildegard von Bingen wissenschaftliche Studien über die heilsame Wirkung der Hopfenpflanze gemacht, doch es dauerte bis zum Beginn des 15. Jahrhunderts, bis das Brauen von "Hoppe-Bier" sich auch in Köln und im Rheinland durchsetzte.

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Der Weg des Hopfens, einer uralten Kulturpflanze, ins Bier ist rätselhaft und liegt weitgehend im Dunkeln. Wahrscheinlich kam er aus dem slawisch-asiatischen Raum nach Mitteleuropa. Heute wird er fast ausschließlich zum Brauen verwendet. Die Lupulinkörner an den weiblichen Blütenstauden enthalten einen Wirkstoff, der für das feine Bitter-Aroma sorgt, die Haltbarkeit erhöht und den Schaum stabilisiert. Außerdem hat er eine antiseptische Wirkung, die Erreger abtötet und deshalb auch in der Medizin Verwendung findet. Pflanzte man früher in fast ganz Deutschland Hopfen an, so konzentriert sich heute der Hopfenanbau hauptsächlich auf die Hallertau in Franken und das Gebiet um Tettnang am Bodensee. Auch im benachbarten Tschechien, in der Gegend von Saaz, wird schon seit Langem intensiv Hopfen kultiviert. Am 23. April 1516 verkündete der bayerische Herzog Wilhelm IV. seinem Lande Bayern ein Reinheitsgebot für das Brauen von Bier, das besagt, dass Bier nur aus Hopfen, Gerstenmalz und Wasser gebraut werden darf. Dieser Erlass gilt als das älteste Lebensmittel-Gesetz der Welt. Die deutschen Brauer übernahmen später insgesamt dieses Reinheitsgebot und verpflichteten sich, trotz massiver Angriffe aus dem Ausland, an dieser Vorschrift festzuhalten.

Gerade heute, in einer Zeit der zunehmenden ökologischen Sensibilisierung unserer Bevölkerung, ist der Verbraucher dankbar, wenn eine ganze Branche ihm die absolute Garantie gibt, dass ihr Produkt frei von chemischen Zusatzstoffen und Malzersatzstoffen bleibt. Auch das Kölsch-Bier erfüllt natürlich alle diese strengen Kriterien und gilt auch sonst als eines der besten Biere im Lande. Nicht nur wie seit dem Jahre 1516 im schönen Bayern, sondern auch in der Stadt Köln hat Qualitäts-Kontrolle schon eine lange und stolze Tradition. Denn bereits hundert Jahre früher, im Jahre 1412, erließen der "Rat der Stadt Köln und seine 44 Gaffelfreunde" eine offizielle Ratsverordnung, nach der die Kölner "Hoppe (Hopfen)-Brauer" nur bestes Gerstenmalz verwenden durften. Auch die Menge Bier, die von diesem Malz gebraut werden durfte, wurde genau festgelegt.

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Nur diese vier Ingredienzien sind die Grundbestandteile eines guten Bieres. Als erstes kommt das Malz. Es gibt dem Bier den Gehalt an Alkohol und die Geschmacksfülle. Es wird im Allgemeinen aus Brau-Gerste oder aus Weizen hergestellt. Die im Getreide enthaltene Stärke wird in Zucker umgewandelt, der später im Bier teils in Alkohol, teils in Kohlensäure umgewandelt wird. Beim "Mälzen" lässt man mit Wasser befeuchtetes Getreide keimen, wobei die Umwandlung der Getreidestärke in Zucker vorbereitet wird. Das so gewonnene "Grün(Roh)-Malz" wird dann geröstet oder, wie die Fachleute sagen, "gedarrt". Beim "Darren" entscheidet sich, ob das Bier später heller oder dunkler wird, je nachdem wie dunkel oder hell das Malz "geröstet" ist. Das Brau-Malz fertigten die meisten kleinen Bierbrauer früher selbst, wohingegen es heute in großen Mengen in einigen wenigen Großmälzereien hergestellt wird. Das Malz wird geschrotet und mit dem zweiten Bestandteil, dem Brauwasser, in großen Kesseln zusammengebracht und gekocht, wobei sich die Stärke in Zucker verwandelt. Diese Mischung heißt "Maische", aus der nach dem Erhitzen die ausgekochten Getreidereste (Spelzen) ausgefiltert werden. Jetzt verwandelt sich die Maische in Würze.

Nun kommt der dritte wichtige Bestandteil hinzu, der Hopfen. Die "Würze" mit dem zugefügten Hopfen wird gekocht, wieder gefiltert und dann abgekühlt. Der vierte Bestandteil, die Hefe, welche die Brauart bestimmt und das Bier gären lässt, macht die vier Komponenten komplett. Bei der Gärung wird ein Teil des Zuckers in Alkohol und in Kohlensäure umgewandelt, der uns die schöne Schaumkrone auf dem Bier beschert. Die moderne Brautechnik ist zwar heute in vielen Details anders als zur Zeit der Hopfeneinführung vor 500 Jahren, doch die obergärige Brauart ist bis heute gleich geblieben. Obergärig gebraut, das heißt, dass sich die Brauhefe beim Gärprozess im Gärbottich (oder im Gärtank) an der Oberfläche absetzt und dann abgeschöpft wird, wohingegen sie bei der untergärigen Brauart auf den Boden absinkt und das Bier dann abgepumpt wird, um, bei beiden Brauarten, dann in den Lagertanks in Ruhe zu reifen.

Ist der Reifeprozess abgeschlossen, wird das Bier gefiltert und dann in Fässer, Flaschen oder Dosen abgefüllt. Der hier geschilderte Brau-Prozess klingt zwar einfach, hat aber viel Raum für Variationen und Veränderung der Dosierungen, so dass die deutschen Brauer innerhalb dieser Grenzen mehr als 4000 verschiedene Biere herstellen, von denen jede für sich Eigenständigkeit und geschmackliche Alleinstellung in Anspruch nimmt. Hierbei spielt die so genannte Stammwürze eine große Rolle. Sie bezeichnet die Konzentration der Stärke des Würzegehaltes vor dem Vergären und bestimmt später den Alkoholgehalt des Bieres. Man unterteilt die Biere in folgende Kategorien: Einfach-Bier mit 0,5 - 1,5 %, Schank Bier mit 0,5 - 2,6 %, Voll-Bier mit 3,0 - 4,5 % und Stark-Bier mit 5,0 - 10,0 % Alkoholgehalt. Die Voll-Biere beherrschen den Markt und stellen mit 99 % Marktanteil die größte Gruppe im Reigen der deutschen Biere. Deutschland ist von Nord nach Süd ein einziges Bier-Paradies: Bremer Kreusen, Berliner Weiße, Leipziger Gose, Einbecker Ur-Bock, Dortmunder feinherbes Pils und Export, bernsteinfarbenes Altbier vom Niederrhein, Hopfen betontes Kölsch aus dem Rheinland, prickelndes Hefeweizen aus Bayern, Münchner Helle, würziges Rauchbier aus Franken und Kulmbacher Eisbock. (FM)

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