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Zeugen Kölner Brau-Kultur 1396 - 1996 | Begleitbuch der Ausstellung zur 600-Jahrfeier der St. Peter von Mailand Bruderschaft

Zeugen Kölner Brau-Kultur 1396 - 1996
Begleitbuch der Ausstellung zur 600-Jahrfeier der St. Peter von Mailand Bruderschaft

4. Brauer, Zunft und Gaffel

1. Brauer und Brauhäuser

Der Brauer-Bannerherr und Kölner Bürgermeister Peter Oeckhoven, Gemälde von Geldorp Gortzius 1597/1612 (Kat. Nr. 4.24.)
Der Brauer-Bannerherr und Kölner Bürgermeister Peter Oeckhoven, Gemälde von Geldorp Gortzius 1597/1612 (Kat. Nr. 4.24.)

Im Laufe des 13. Jahrhunderts hat das Kölner Braugewerbe kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Als es Erzbischof Konrad von Hochstaden 1259 gelingt, vorübergehend die Geschlechter zu entmachten und 26 neue Schöffen einzusetzen, denen nun auch Handwerker angehörten, waren darunter auch zwei Brauer, nämlich Bodo, der Brauer auf der Schildergasse, und Johann van Rile, wohl der gleichnamige wohlhabende Brauer in der Marzellenstraße. In der Reimchronik Gotfrit Hagens, der der auf Seiten der Geschlechter steht, kommen die Handwerker, namentlich auch Bodo, natürlich schlechte weg: "Oich was ir ein der Bruwer Bode, unde Teilman, der Becker, bi Gode!" (Nr. 4.1.). Drei Jahre später freilich sind die neuen Schöffen wieder amtsenthoben und eingekerkert. 1286 erlaubt ein Glücksfall der Überlieferung erstmals, wenigstens für St.Kolumba, das volkreichste der 19 Kölner Kirchspiele, eine Vorstellung über die Versorgung der Bevölkerung mit Bier zu gewinnen: Eine Steuerliste zählt unter 889 Häusern, die wohl von 4-5000 Menschen bewohnt gewesen sein mögen, 7 Brauhäuser und 3 weitere Brauer auf.

Ein wichtiges Indiz für die gewachsene gesellschaftliche und wirtschaftliche Stellung des Kölner Braugewerbes ist 1396, daß die Brauer eine eigene Gaffel für sich bildeten, der wohl nur wenige Nicht-Brauer beigeschworen waren. Als der Rat 1417 insgesamt 1373 Kölnern 1 Gulden Kopfsteuer für die Schleifung der Deutzer Befestigungen zumuten zu können glaubte, gehörten davon 42 der Brauergaffel an (Nr. 4.2.); 14 von ihnen begegnen unter den 431 reichen Kölnern wieder, die der Rat ein Jahr später zu einem Zwangsdarlehen für Verteidigungszwecke heranzog. Diese Brauer streckten der Stadt Beträge zwischen 12 und (zweimal) 100 Gulden vor; nur wenige Darlehen waren höher als 100 Gulden.

Im Hungerjahr 1438, als es nur "snoeden Drank van Biere" gab, ordnete der Rat an, daß die 21 Brauhäuser alle Jahre die Sorte wechseln sollten, um sie gleichmäßig an billigen und teuren Sorten zu beteiligen: 10 Brauer sollten das erste Jahr mit Dünnbier, 7 mit Dickbier und 4 mit Hopfenbier beginnen (Nr. 3.13.). 1461 zählt man ohne die Keutebierbrauer 28 Brauhäuser, die je zur Hälfte Hopfenbier zu 3 Heller und Grutbier zu 2 Heller produzierten. Keutebierbrauer gab es 1471 24, 1481 bereits 43, 1486 39, 1494 41 und um 1510 53. Die Brauer des billigen und dünnen Rotbieres wurden dagegen immer weniger, 1494 zählte man 18, um 1500 7, um 1510 nur 5 von ihnen. Insgesamt zählte die Rentkammer 1482/84 72 Brauer, einschließlich der Klosterbrauer und der Hockenbrauer, 1494 65, 1498 (?) 67 und um 1510 58 Brauer, von denen die weitaus überwiegende Mehrheit Keutebier braute. Daß es große Unterschiede unter den Brauern gab, zeigen die Akzisebücher; den höchsten Malzverbrauch für 2 Jahre, August 1482 - August 1484, versteuerte johan zor Kassen auf dem Neumarkt, nämlich 1470 Malter, den geringsten Heinrich von Lindlar, der Klosterbrauer zu den Machabäern, mit ganzen 16 Maltern. Im 17.Jahrhundert, nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, scheint es dem Braugewerbe nicht schlecht gegangen zu sein, wenn in den 25 Jahren von 1652 bis 1676 wohl 18 Brauhäuser neu errichtet worden sind. Um 1800 zählte man insgesamt 98 Brauhäuser. Die Klosterbrauer arbeiteten gegen Lohn für die sechs Kölner Nonnenklöster, die im 15. Jahrhundert eigene Brauhäuser unterhielten, aber wöchentlich höchstens 4 Malter akzisefrei für den Eigenverbrauch verbrauen durften, nämlich Weißefrauen, Maviren (Machabäer), St.Maximin, St.Mauritius, St.Mariengarten und St.Agatha. Mit dem Überschuß wurden immer wieder zum Verdruß des Brauamtes und des Rates - steuerfrei - gute Geschäfte gemacht, bis 1525 auch die Geistlichkeit der Malzsteuer unterworfen werden konnte. Neben den zünftigen Brauern gab es die sogenannten Hockenbrauer, die keine zünftige Lehre absolviert hatten und meist nebenberuflich für Bürger im Lohnwerk brauten. Sie wurden vom Brauamt hart bekämpft. Eine Liste um 1520 führt 27 solcher Hockenbrauer auf, fünf von ihnen sind Bäcker, einer ist Gürtelmacher.

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2. Die Zunft oder das Brauamt

Die Kölner Brauer waren seit 1396 in dreifacher Weise organisiert, wirtschaftlich-gesellschaftlich in der Zunft oder dem "Amt", wie die Zünfte in Köln hießen, politisch in der Gaffel und kirchlich-religiös in der Bruderschaft. Bei der weitgehenden, aber nicht völligen Identität der drei Korporationen ist es nicht verwunderlich, wenn in den Quellen häufig die Begriffe austauschbar scheinen. Als Zunft oder Brauamt treten die Brauer im Gegensatz zu den meisten Gewerben in Köln erst spät auf. Jedenfalls ist in der reichen Kölner Quellenüberlieferung bis zum Ende des 14. Jahrhunderts bisher kein einziger Hinweis auf eine organisierte Brauerzunft bekannt geworden. Vermutlich schien angesichts der starken Verbreitung der Hausbrauerei den wenigen vollgewerblichen Brauern ein Zusammenschluß zur selbständigen Regelung ihrer Gewerbeangelegenheiten entbehrlich gewesen zu sein. Erst 1396, als die neue, weitgehend auf den Zünften aufbauende Gaffelverfassung entstand, wurden auch die Brauer als Zunft, als eigenständige Gruppe, die das gleiche Gewerbe verband, in die Gaffelstruktur eingebunden.

Der Kölner Verbundbrief vom 14. September 1396 (Kat. Nr. 4.10.)
Der Kölner Verbundbrief vom 14. September 1396 (Kat. Nr. 4.10.)

Die Gaffelfunktion des nun erstmals bezeugten Brauamtes scheint noch geraume Zeit im Vordergrund gestanden zu haben. Zunächst brauchten die Brauer als Korporation ein Siegel, um gleich den übrigen Gaffeln den Verbundbrief besiegen zu können. Es kommt hier ebenso wie das der Fischmenger, das nach demselben Muster gestaltet ist, erstmals vor, so daß beide Siegel wohl gleichzeitig vom selben Siegelgräber für diesen Anlaß geschaffen worden sind. Es wird als Siegel des "ampts" bezeichnet und war nachweislich bis mindestens 1575, vielleicht auch noch 1595 in Gebrauch (Nr. 4.13.). Der Originalstempel ist verloren, ein ähnlicher Stempel im Stadtmuseum ist eine Nachbildung. Wohl bald nach 1600 wurde ein neues Siegel angeschafft, das über dem Brauerwappenschild die Figur des Petrus von Mailand zeigt und 1608 zuerst belegt ist. Zweifellos ist es von Peter Oeckhoven, seit 1600 Bannerherr der Brauer, eingeführt worden und diente seitdem als Zunftsiegel (Kat. Nr. 5.12.). Erst spät, 1430, legen die Brauer sich ein eigenes Zunft- bzw. Gaffelhaus zu und lassen sich erst 1497 eine Zunft- oder Amtsordnung "gleich wie die anderen Ämter" vom Rat geben, in der die seit alters beobachteten Gewohnheiten und Gebräuche bestätigt werden. 

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Fast alle sonstigen Kölner Zünfte hatten ihre Amtsbriefe schon weit früher erhalten, allein 1396-97, unmittelbar nach dem Umsturz von 1396, wurden 32 Amtsbriefe vom Rat bestätigt oder neu erteilt. Weshalb der Rat nicht früher für eine Kodifizierung der Amtsgebräuche der Brauer gesorgt hat, die auch eine bessere Kontrolle des für die Nahrungsmittelversorgung wichtigen Gewerbes ermöglicht hätte, ist unklar. Immerhin muß seit 1435 durch Ratsbeschluß jeder Brauer auch Bürger sein; bis dahin konnte er, wie andere auch, ohne weiteres als Eingesessener in Köln seinem Handwerk nachgehen, allerdings ohne aktiv oder passiv wahlberechtigt zu sein. Eine neue Ordnung des Brauamts mit 15 Punkten wird 1603 unter dem Bannerherrn Peter von Oeckhoven verabschiedet. in der Folgezeit wird sie um zahlreiche neue Paragraphen erweitert, so daß sie schließlich 1699 54 Punkte zählt. Bemerkenswerterweise beginnt sie mit Anrufung der Hl.Dreifaltigkeit, der Muttergottes und aller lieben Heiligen; von Petrus v. Mailand ist nicht die Rede. Geregelt wird u.a., wie die Aufnahme neuer Lehrjungen, Knechte und Meister vor sich gehen sollte. Wer Brauer werden wollte, mußte 20 Jahre alt sein und, nach einer Probezeit von 14 Tagen, 4 Jahre bei einem Brauermeister in die Lehre gehen; 1497 waren nach dem Amtsbrief dem Brauamt 12 Mark, 1603 aber bereits 8 Goldgulden Lehrgeld zu zahlen. Anschließend mußte er mindestens 2 Jahre als Geselle oder Knecht bei einem Meister arbeiten. Wer weglief, mußte neu beginnen, wer als Lehrjunge oder Knecht Unzucht trieb oder heiratete, konnte in Köln kein Meister mehr werden. Wollte er selbständiger Meister werden, mußte er geborener oder gegoltener Bürger sein, der Zunft 24 Mark Goldgulden erlegen, die Schildkost bezahlen, d.h. ein Einstandsessen für alle Zunftmitglieder ausgeben, und nachweisen, daß er ein Brauhaus besaß oder für mindestens 6 Jahre gemietet hatte.

An der Spitze der Zunft standen zwei Amtsmeister, die jährlich am Vorabend von Dreikönigen (5. Januar) gewählt wurden; die erste Wahl durfte noch abgelehnt werden, beim nächsten Mal mußte sie angenommen werden. Die Amtsmeister übten die Zunftgerichtsbarkeit aus und bestraften Verstöße gegen die Zunftordnung. Über die Zunftkasse mußten sie am Ende ihres Amtsjahres der Zunft Rechenschaft ablegen. Die Sechzehner bilden einen 1619 eingeführten 16köpfigen Zunftausschuß, dem der Bannerherr, die Ratsfreunde, die Amtsmeister und weitere gewählte Zunftmitglieder angehörten und der eine Art geschäftsführenden Vorstand bildete. 

Die Brauamtsführung war bei den einfachen Meistern nicht immer beliebt. Heftige Vorwürfe richteten etwa um 1737 einige Brauer gegen ihre Oberen, Bannerherrn, Amtsmeister, Sechzehner und Ratsverwandte, die sich auf Kosten der Amtsbrüder "kostbahre Abendtsessen, vielfältige, zwar kleine doch kostbahre Tractamente und bei Weinproben nit nuhr einige Viertell Wein überflüssig" (!) erlaubten, sondern sich auch "mit Carossen nach Haus bringen lassen". Ferner warf man ihnen Wahlunregelmäßigkeiten und Klüngel vor, indem sie ein besonderes Kollegium bildeten, das gern Kollegen, die das Amt "durch verbottenes Bierliefferen oder sonstiges Frekelen" schädigten, durch die Finger sähen.

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Der Saal des Brauerzunfthauses in der Schildergasse 96. Foto um 1906 (Kat.Nr. 4.28.)
Der Saal des Brauerzunfthauses in der Schildergasse 96. Foto um 1906 (Kat.Nr. 4.28.)

Auf der Zunftstube hatte nur Zutritt, dessen Namensschild mit Hausmarke oder Wappen, schön der Anciennität nach, an den Wänden aufgehängt war. Die Prozeßakten Oeckhoven ./. Brauamt haben uns ein Heft mit Skizzen aller 130 um 1591 auf der Zunftstube hängenden Genossenschilder überliefert. jedes Jahr wurden die Schilder umgehängt, wenn neue Meister hinzugekommen, andere gestorben waren. Bei groben Verfehlungen konnte der Schild umgedreht oder ganz weggenommen werden, was den Ausschluß aus der Zunft bedeutete (Nr. 4.7.). Die Sitzordnung war streng vorgeschrieben; die detaillierten Bestimmungen der Amtsordnungen sollten insbesondere das Zusammenieben auf dem Zunfthaus regeln. Gelegentlich mag es hoch hergegangen sein auf den Zunftstuben. 1617 glaubt der Rat jedenfalls den Zünften das "Singen nach dem Eßen" verbieten lassen zu müssen, bei hoher Strafandrohung für denjenigen, "welcher intonieren oder anfangen würden". Alles, was Unfrieden stiften konnte, Fluchen, Verleumden, Raufen und Schlagen, ins Wort zu fallen, aber auch zu spät zu kommen oder zu früh sich zu entfernen, Gläser zu zerschlagen, später auch Tabak zu rauchen und sogar, wohl aus gegebenem Anlaß, das Mitbringen von Hunden waren bei hoher Bußandrohung untersagt. Dennoch konnten schwere Auseinandersetzungen nicht immer verhindert werden. 1575 kam es zu einem 20jährigen, viele 1000 Gl. verschlingenden Prozeß zwischen dem angesehenen und reichen Brauer johann Oeckhoven, dessen Brauhaus zum Falken 2 Häuser neben dem Zunfthaus lag' und den Mitgliedern des Brauamtes, die er als rebellische, aufrührerische und ungehorsame Hochverräter geschmäht haben soll. Der Prozeß fand erst 1595 durch Vergleich zwischen letzterem und Johanns Sohn Peter Oeckhoven ein Ende. Stapel von Akten mit interessanten Einblicken in das innere Leben der Gaffel haben sich darüber erhalten. Wenige Jahre später wird Peter Oeckhoven zum Ratsherrn, Bannerherrn und schließlich 1610 zum Bürgermeister gewählt!

Beim Einmarsch der Franzosen 1794 wurden alle Versammlungen verboten, so daß am 5.Januar 1795 nicht wie üblich die Amtsmeister auf den Zünften gewählt werden konnten und, wie das letzte Zunftrechnungsbuch berichtet, die bisherigen Amtsmeister ein Jahr länger amtieren mußten (Nr. 4.8.).

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3. Die Brauergaffel

Nach dem Sturz der Geschlechterherrschaft wurde mit dem Verbundbrief vom 14. September 1396 der Stadt eine neue Verfassung gegeben, die bis 1797 in Kraft blieb. Alle wahlberechtigten Kölner Bürger wurden auf 22 Gaffeln aufgeteilt, die meist aus mehreren, nicht notwendig verwandten Zünften gebildet waren. Das Brauamt ist eine der Kölner Zünfte, die alleine eine dieser Gaffeln bildeten, so daß also Zunft und Gaffel nahezu identisch waren; auch die Gaffel wird häufig als "Brauamt" bezeichnet.

Hauptaufgabe der Gaffeln war die Wahl der Ratsherren, zu der die Brauer jährlich zwei Kandidaten stellen konnten. Der eine von ihnen wurde zum Sommertermin, am 24. Juni, der andere zum Wintertermin, am 24. Dezember, jeweils für 1 Jahr gewählt. In der Regel wurden die Ratsherren nach jeweils 3 Jahren bis an ihr Lebensende wiedergewählt. In den Brauergaffelakten haben sich die Wahlprotokolle und Strichlisten des letzten von der Brauergaffel regulär gewählten Ratsherrn, Peter Boecker jun., erhalten, der 1793 Nachfolger des im Amt verstorbenen Christian Schult wurde (Nr. 4.13.). Vereinzelt sind noch "Arbeitsunterlagen" der Brauer-Ratsherren erhalten, so existiert noch eine handschriftliche Gesetzessammlung, die der Brauer im Brauhaus "zu Unna", Adolf Neurath, möglicherweise selber 1605 geschrieben hat, 2 Jahre bevor er erstmals in den Rat gewählt wurde (Nr. 4.12.). Nur einem Brauer-Ratsherrn ist es gelungen, das höchste der städtischen Ämter zu erringen und 1610 Bürgermeister zu werden, Peter Oeckhoven, dem allerdings der Tod weitere Amtsjahre versagt hat. Oeckhoven hat sich als Bannerherr des Brauamtes durch Beilegung langjähriger innerer Streitigkeiten, durch die Neuorganisation der Zunft und der Petri-Mailand-Bruderschaft, die sich offenbar auch in der Einführung eines neuen, mit dem Zunftpatron geschmückten Zunft- und Gaffelsiegels ausdrückte, und schließlich durch dem Neubau des prächtigen Gaffelhauses 1612/13 ganz besondere Verdienste um die Kölner Brauer erworben (Nr. 4.24.).

Ferner wählte die Gaffel zwei der Vierundvierziger. Dieses Gremium hatte nach dem Verbundbrief in bestimmten Fällen Beschlüssen des Rates seine Zustimmung zu erteilen, verlor jedoch zunehmend an Einfluß. Die Wehrverfassung Kölns beruhte bis 1583 auf der Gaffeleinteilung der Bürgerschaft. 1488 hatten die Brauer im Kriegsfall zum städtischen Aufgebot von insgesamt 605 Mann, ebenso wie die Gaffel Himmelreich 36 Mann zu stellen; nur die drei Gaffeln Wollenamt, Goldschmiede und Windeck waren mit je 46 Mann höher veranschlagt. Bis 1583 waren die Gaffeln für die Bewachung bestimmter Stadtmauerabschnitte verantwortlich, so die Brauer nach der Wachtordnung von 1568 für die Ulrepforte und die Mauer vom 1.Turm bis zum 3.Turm; offenbar haben die Brauer gut gewacht: immerhin stehen Ulrepforte und zwei Türme mit Mauerstück am Sachsenring noch heute (Nr. 4.17.).

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Sitzung des Kölner Rates. Kupferstich von A. Aubry nach J. Toussyn, vor 1665.
Sitzung des Kölner Rates. Kupferstich von A. Aubry nach J. Toussyn, vor 1665.

An der Spitze der Gaffel standen die auf Lebenszeit gewählten angesehenen Bannerherren, die für die Verwahrung des städtischen Banners verantwortlich waren und vor allem als eine Kontrollinstanz für den Rat dienen sollten. Da viele Bannerherren jedoch selber zu Ratsherren gewählt wurden, konnten sie dieser Aufgabe meist nur sehr unvollkommen gerecht werden.

Wie die anderen Gaffeln verfügte auch das Brauamt seit dem Transfixbrief von 1513 über einen der 23 Schlüssel, mit denen die 23 Schlösser des Schrankes geöffnet werden konnten, in dem das große Stadtsiegel verwahrt wurde. Zur Verwahrung des Schlüssels wurde auf Lebenszeit ein Schlüsselherr gewählt. Da das Stadtsiegel vornehmlich der Besiegelung der städtischen Obligationen diente, konnten die Gaffeln die Aufnahme neuer Schulden wirksam kontrollieren, da es nur im Beisein aller Schlüsselherren hervorgeholt werden konnte. 1785 wurden im Verlauf des Deputatschaftsstreits neue, teilweise vergoldete Schlösser und Schlüssel beschafft; als einzige von allen hatten sich bis in jüngster Zeit sowohl das Hängeschloß als auch der Schlüssel mit dem zugehörigen Lederfutteral der Brauergaffel im Stadtmuseum erhalten, doch ist das Schloß leider vor einigen Jahren abhanden gekommen; nur das vergoldete Schild eines gleichartigen älteren Schlosses von 1765 liegt noch vor.

Ein weiteres Gaffelamt war das des Gaffelboten, der unter anderem die Gaffelmitglieder zu den Sitzungen zu laden, als Sekretär und Protokollant zu fungieren hatte und wie ein Hausmeister für das Gaffelhaus und sein Inventar verantwortlich war. Die erhaltenen Zunftbücher der Brauer aus dem 16. und 18. Jahrhundert sind alle vom Gaffelboten geschrieben. Der letzte Gaffelbote des Brauamtes, Nikolaus Mirbach, hatte seine Wohnung im Vorderhaus an der Schildergasse, wo er noch bis zu seinem Tod 1829 zur Miete wohnte.

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4. Das Brauerzunfthaus oder "die Brauergaffel"

Relativ spät unter den Kölner Gaffeln und Zünften hat sich das Brauamt ein eigenes Zunfthaus zugelegt, ein Beleg dafür, daß seine Organisation erst allmählich festere Formen gewonnen hat. 1430 kauft nach den Schreinsbüchern das Brauamt das sogenannte "Slachenhuys, das früher zum Wurm hieß und nicht, wie manche wollen, in der Nähe des Rheins, sondern in der Cäcilienstraße, da wo sie heute von der Nord-Süd-Fahrt unterquert wird, lag. Über sein Aussehen wissen wir nur, als daß es aus zwei Gebäuden mit eigenen Dächern bestand.

Schon zwei Generationen später war es offenbar angesichts der stark angewachsenen Mitgliederzahl zu klein geworden und wurde 1494 wieder verkauft. Von Dietrich Lüninck, Kanzler des Herzogs von Jülich und Berg, und seinen Kindern erwarb das Brauamt dafür ein geräumiges Anwesen, das Haus Mirweiler in der Schildergasse 96, das einmal der Patrizierfamilie vom Spiegel gehört hatte. Das Grundstück reichte über die erst um 1840 entstandene Brüdergasse hinweg mit einem Ausgang bis in die Streitzeuggasse (heute Bereich Oper); der vordere Teil wird heute von der Kaufhalle eingenommen. Der sich über mehrere Jahre hinziehende Ankauf der verschiedenen Besitzanteile ist nicht nur in den Schreinsbüchern, sondern heute noch in Originalurkunden des Zunftarchivs genauestens dokumentiert, die von W.Scheben gerettet worden sind (Nr. 4.22.).

Über das ursprüngliche Aussehen des Hauses ist nichts bekannt, daß es sich aber sehen lassen konnte beweist wohl die Tatsache, daß sich König Maximilian l. darin offenbar wohlgefühlt hat, als er während des Kölner Reichstages am 23.Juni 1505 abends auf dem Weg zum Johannisfeuer vom Regen überrascht wurde und sich in der Brauergaffel bis 9 Uhr unterstellte. Der Bürgermeister Johann van Berchem hatte zwar ein festliches Bankett für den König anrichten lassen, wartete aber vergebens auf ihn. Der ursprüngliche Bericht darüber, der wenig später in Köln bei Ludwig von Renchen im Druck erschien, ist nur in ganz wenigen Exemplaren erhalten geblieben, keines davon in Köln (Nr. 4.23.)

Über 100 Jahre später, 1612/13, wird im Stil der niederländischen Renaissance ein Neubau errichtet: Der verdienstvolle Bannerherr der Brauer und Bürgermeister des Jahres 1610, Peter Oeckhoven, ist sicher die treibende Kraft gewesen, hat aber die Vollendung des imposanten zweiteiligen Komplexes nicht mehr erlebt. In dem doppelgiebligen Vorderhaus an der Schildergasse mit Durchfahrt wohnte der Gaffelbote, dahinter erhob sich das zweischiffige, mit Treppengiebeln und Treppenturm geschmückte eigentliche Zunfthaus, dessen ganzen ersten Stock der ca. 225 m² große Festsaal mit einer prachtvollen Stuckbalkendecke einnahm (Nr. 4.26). Ein kostbarer "marmorner" Kamin ist erst um 1865 für 80 Taler an den Kölner Kunsthändler Wilhelm Schmitz, von diesem dann für 25000 Francs an den Bruder des französischen Ministers Fould nach Paris verkauft worden; vielleicht gehörte zu ihm die große gußeiserne Ofenplatte von 1675, die sich im Stadtmuseum erhalten hat (Nr. 4.31.). Auch einige der bunten gemalten Wappenscheiben, mit denen Brauerfamilien 1617 und vor allem 1688 die Oberlichter der Saalfenster schmücken ließen, haben sich erhalten, sechs im Stadtmuseum, zwei weitere in Kölner Privatbesitz (Nr. 4.33.; 5.7.). Drei große Gemälde aus dem 2. Viertel des 16. Jahrhunderts zierten die Wände, von denen nur noch das mittlere mit einer Kreuzigungsdarstellung, oben mit dem Kölner Stadtwappen und dem Kölner Brauerwappen markiert, im Wallraf-Richartz-Museum erhalten geblieben ist; die beiden anderen sind dort erst im 2.Weltkrieg verbrannt. Sie zeigten die Hll. Drei Könige sowie St.Kunibert, St.Ursula und den Kölner Brauerpatron Petrus v. Mailand (Nr. 5.9.). Diese Darstellung und das wohl um 1600 entstandene bekannte Holzrelief dieses Heiligen im Stadtmuseum (Nr. 5.11.), das einer Vertäfelung im Zunfthaus entstammt, sind die frühesten Abbilder des Kölner Brauerpatrons, die mit dem Kölner Brauerwappen gekennzeichnet sind. Eine weiteres, lebensgroßes, mit Hopfenranken umgebenes Gemälde des Patrons, das anscheinend erst 1762 angekauft worden ist und nach Scheben noch bis 1816 im Zunftsaal hing, ist verschollen. Von den zahlreichen Ratsherren- und Bannerherrenporträts, die ehemals die Wände schmückten, haben sich nur einzelne im Stadtmuseum und in Kölner Privatbesitz erhalten, nachdem sie 1816, wie W.Scheben berichtet, an die damaligen Besitzer der jeweiligen Brauhäuser verteilt worden waren. Scheben erhielt damals das Porträt des Bannerherrn Christian Lommeder, das er 1891 testamentarisch dem städtischen Museum vermacht hat (Nr. 4.32.). Unbekannt ist, wo sich heute das 1597 von Geldorp Gortzius gemalte und 1612 veränderte Porträt Peter Oeckhovens, das ihn als Kölner Bürgermeister zeigt, befindet. Es gelangte nach seiner Versteigerung 1920 in Köln über Zürich und Paris nach Los Angeles und Hollywood und ist seit 1957 verschollen (Nr. 4.24).

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Zur Ausstattung des Hauses gehörten schließlich Rüstungen und Waffen, die, wie das Rechnungsbuch der Zunft zu 1592 belegt, gelegentlich gereinigt werden mußten. Davon hat sich als einziges Stück ein mächtiger Bidenhänder, dessen Klinge das eingeätzte Wappen der Kölner Brauer ziert, in der Waffensammlung des Towers in London erhalten (Nr. 4.18.). Ein hölzerner Männerarm diente als Halter für das Zunftbanner (Nr. 4.20.), das auf den großen Schlachtengemälden von 1582 im Rathaus zweimal zu entdecken ist (Nr. 4.19.).

Wie alle Gaffelhäuser war auch die Brauergaffel schon vor dem Einmarsch der Franzosen jahrelang mit Reichstruppen belegt gewesen, 1794 folgten dann französischen Truppen. Als die Beschlagnahme des Hauses 1798 bevorstand, war es stark heruntergekommen, entsprechend dürftig geriet die lnventaraufnahme, die vor der Übernahme in französisches Nationaleigentum vorgenommen wurde. Nur mehrere darin erwähnte Gemälde und Figuren lassen noch die alte Pracht ahnen (Nr. 4.29.). Für Schulzwecke vorgesehen, wurde das Gebäude, dessen Festsaal 1802-04 der neu errichteten evangelischen Gemeinde als Gottesdienstraum diente, nicht wie die anderen Gaffelhäuser versteigert, sondern endlich 1809 durch Kaiser Napoleon der Stadt übereignet. Der Keller, in dem 60 Stückfässer Platz fanden, war als Weinkeller verpachtet, die oberen Stockwerke beherbergten jahrzehntelang die Armensonntagsschule und die Pfarrschule von St.Peter, zeitweilig 1814/16 auch das preußische Generaldepot der Rheinischen Landwehr. 1829 wurden die Säle nach Plänen des Stadtbaumeisters Johann Peter Weyer in Schulzimmer aufgeteilt. 1842-1862 war das Gebäude dann das erste Heim des neugegründeten Kölner Männergesangsvereins, woran dieser 1905/06, zur 400-Jahrfeier des Aufenthaltes von Maximilian l. in der Brauergaffel, mit einer nostalgischen Feier erinnerte; die Caecilia Wolkenburg führte damals eine von Heinrich Hack geschriebene Vaterstädtische Operette in 2 Akten "Der Reichsdach zo Kölle 1505 oder Kaiser Max en der Brauergaffel" auf. Nachdem um 1840 der große Garten, den die Brauer im 18. Jahrhundert als Weingarten (!) genutzt hatten, durch die neuangelegte Brüdergasse durchschnitten worden war, ließ sich dort die Firma Ernst Leybold, Physikalische Geräte, nieder. Sie kaufte 1862 für 23350 Taler das benachbarte alte Gaffelhaus, das sie, als Lagerraum nutzte. 1865 verlor das Hauptgebäude seine stolzen Giebel und den Treppenturm und erhielt stattdessen einen Zinnenkranz und ein niedriges Pultdach. Ein Dachbrand beschädigte 1880 die Balkendecke des Festsaales. 1928 wurde der Komplex unter Aufhebung des Denkmalschutzes an das Kaufhaus Ehape (heute Kaufhalle) verkauft und trotz mancher Proteste zugunsten eines modernen Warenhauses abgerissen. Balken- und Deckenstuckteile, Fenster und Türgewände, die der Stadtkonservator damals auf Lager legen ließ, gingen im 2.Weltkrieg fast alle verloren. Einer der beiden prächtigen Eichenholz-Pfeiler des Festsaales und ein Teil eines geschnitzten Deckenbalkens, die sich in der Obhut des Stadtkonservators, erhalten haben, sind die Überbleibsel des Brauerzunfthauses, das den letzten erhalten gebliebenen Kölner Zunftsaal beherbergt hatte und nach Vogts "ein in seiner Übereinstimmung zwischen Außenseiten und innerer Konstruktion besonders lehrreiches und eindrückliches Beispiel des Kölner Profanbaues überhaupt" gewesen war.

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Literatur:

  • FISCHER, Gert; HERBORN, Wolfgang: Geschichte des rheinischen Brauwesens, in:
  • Gert FISCHER (u.a.): Bierbrauen im Rheinland, Köln 1985, S.9-118.
  • HACK, Heinrich: Das Zunfthaus der Brauer in Köln, in: Der Burgbote. Monatsschrift d.Kölner Männer-Gesang-Vereins u.d.Wolkenburg-Kasino-Geselischaft 7 (1928) S.23-29.
  • KEUSSEN, Hermann: Topographie der Stadt Köln im Mittelalter 1-11, Bonn 1910.
  • KLERSCH, Joseph: Die Geschichte des Brauereigewerbes in Köln, in: Kölner Brauerei -Verband e.V. (Hg.): Köln und sein Bier 1396-1946, Köln 1946, S.5-40.
  • SCHÄFKE, Werner: Das Siegel der Kölner Brauer, in: Erste Kölner Bierzeitung Nr. 25, Dez. 1993, S.12.
  • SCHEBEN, Wilhelm: DieZunft der Brauer in Köln in ihrem inneren Wesen und Wirken, nebst den im Jahre 1603 erneuerten uralten Ordnungen und dem 1497 erneuerten Amtsbrief, Köln 1880.
  • SCHEBEN, Wilhelm: Das Zunfthaus und die Zunft der Brauer in Köln. Nach meist ungedruckten Quellen bearbeitet, Köln 1875.
  • SCHWERING, Max-Leo: Handwerk in Köln. Hg.v.d.Kreishandwerkerschaft Köln 1884-1984, (Köln 1984).
  • VOGTS, Hans: Die Kunstdenkmäler der Stadt Köln, ll.4 Die profanen Denkmäler, Düsseldorf 1930, S.361-91, bes.383-86.

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