Kölner Brauerei-Verband e.V., Cäcilienkloster 10, 50676 Köln
Druckversion der Seite: Von der Hausbrauerei zur industriellen Aktienbrauerei - Mittwoch, 1. Mai 2024
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Von der Hausbrauerei zur industriellen Aktienbrauerei

Beginn als Hausbrauereien

Obwohl sich jeder Bürger sein Bier selbst brauen durfte oder brauen lassen konnte, war der Verkauf illegal, da sich jeder zünftige Brauer seine Meisterschaft vorab durch eine vierjährige Lehre, zweijährige Knechtschaft und hohe finanzielle Kosten erworben hatte. Der Ausschank durfte daher nur von Mitgliedern der Zunft vorgenommen werden, da nur diese auch die Steuern auf die Rohstoffe zahlten. Brauer die keiner Zunft angehörten und sich die Steuern sparen wollten, nannte man "Heckwirte" oder "Heckenzäpper". Sie arbeiteten meist außerhalb des Stadtgebietes und im Geheimen. Wurden sie erwischt hatten sie eine Strafe von 20 Goldgulden zu zahlen, eine für die damalige Zeit enorm hohe Strafe. Außerdem durften sie auch privat ein Jahr lang außer einem Sud nicht mehr brauen. Den zünftigen Brauausschank erkannte man daran, dass er einen aus geschälten Weiden geflochtenen Hopfenkorb an einem Seil am Giebel seines Brauhauses aushängen hatte.

Das Ende einer Ära – Aufhebung des Zunftzwanges

Mit der Französischen Revolution und der gleichzeitigen Verbreitung der neuen Ideen von Einheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, begann auch für die Stadt Köln und das Rheinland eine neue Zeit. Als die Revolutionstruppen im Jahre 1794 kampflos in Köln einmarschierten, wurden sie vom größten Teil der Bevölkerung freudig begrüßt. Das änderte sich aber schnell, als man merkte, daß diese Soldaten keine idealistisch gesinnten Befreier, sondern in ihrer Mehrzahl eher egoistische Okkupanten waren. Trotzdem waren die von ihnen eingeführten Neuerungen ein für das in 400 Jahren dahindämmernde reichsstädtische Köln ein heilsamer Schock. Besonders drei ihrer Maßnahmen sollten sich für Wirtschaft und Handel als wahre Lokomotiven erweisen:

1. Die 1798 verfügte Aufhebung der Zünfte und Einführung der Gewerbefreiheit. 2. Die 1802 durchgeführte Säkularisation, Übernahme des gesamten katholischen Kircheneigentums durch die Regierung. 3. Die Einführung des französischen Rechtssystems, des code civil im Jahre 1804, der für eine weitgehende Rechtssicherheit sorgte und später auch in Teilen von Preußen übernommen wurde.

Als 1815 nach dem Niedergang der Napoleonischen Ära die Preußen die Macht am Rhein übernahmen, begann eine stürmische Zeit für Wirtschaft und Handel. Zwar entwickelte sich die neue Zeit für das Braugewerbe erst langsam und allmählich, Köln zählte 1827 etwa 110 kleine Hausbrauereien mit durchschnittlich zwei Beschäftigten (Meister und ein Brauerbursch), die Wieß und Brung (ungefiltertes Obergäriges) brauten. Erste industrielle Brauversuche machte bereits 1838 der Brauer Thomas Ehemann mit einer "untergärigen Baierischen Bierbrauerei" in der Thürmchensgasse 19, nahe dem Rheinufer. Diese Brauerei ging 1873 in der Cöln-Nieclermendiger Actien-Brauerei in Mülheim auf.

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Aufbruch ins neue Zeitalter die industrielle Revolution

Doch die industrielle Revolution stand schon in den Startlöchern und die für das Brauwesen wichtigen geistigen Väter, Louis Pasteur (1854) mit seinen Erkenntnissen über den Gärungsablauf, Carl von Linde, Erfinder der künstlichen Kühlung (1873) und Emil Christian Hansen, dem es gelang, eine Bierhefe zu züchten, welche die: Herstellung immer gleicher Bier-Qualität garantierte (1883), waren bereits geboren oder hatten ihre Erfindungen schon gemacht. Mitentscheidend für das Gelingen des industriellen Umbaus der Brauereien waren aber vor allem Großunternehmer wie Gabriel Sedlmayr jr. (Spatenbräu, München), die Brauer-Dynastie Jacobsen (Carlsberg, Kopenhagen), und Anton Dreher, Wien, der als erster ein modernes untergäriges Massenbier braute und dessen Brau-lmperium als das größte der Welt galt. Alle diese Wirtschaftspioniere waren seit frühester Jugend miteinander bekannt und befreundet, ein bereits damals funktionierendes Europa auf menschlicher Basis - ohne störende Euro-Bürokratie.

Um 1850 begann es dann richtig. Die Stadt Köln zählte damals in ihren noch durch die mittelalterlichen Befestigungen eingeengten Mauern 100.000 Einwohner und etwa 120 Brauereien. Der gewonnene Krieg 1870-71 gegen Frankreich und die damit verbundene Reichsgründung lösten einen wahren Gründungs-Boom aus. Der brachte auch das Brauergewerbe in Schwung. Den ersten industriellen Schub gab die Einführung der von James Watt erfundenen Dampfmaschine als Energiequelle in den Produktionsablauf. Gabriel Sedlmayr jr. Besitzer der Spaten-Brauerei in München und Förderer Carl von Lindes, blieb dieses vorbehalten. Der zweite Schub entstand durch die von Linde erfundene und 1873 erstmals vorgestellte Kühlmaschine, die eine ganzjährige industrielle Herstellung von großen Mengen Bier erlaubte. Das rapide Anwachsen der Stadt und der ständige Zuzug von Arbeitskräften für die neugegründeten Fabriken erforderte auch die Fabrikation großer Mengen an Bier, um den Feierabend-Durst der Menschen zu löschen. Gebraut wurden nun vor allem, dem Mode-Geschmack entsprechend, untergärige Biere wie Pilsener, Münchner Helles, Export und sogenanntes Lager-Bier. Die Erfindung und der Ausbau des Eisenbahnnetzes in ganz Deutschland erlaubte es außerdem, Bier in alle Teile des Landes, selbst über große Entfernungen hinweg zu verschicken.

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Aktien-Brauereien – mehr Bier mit modernen Mitteln

Doch bevor die nun technisch möglichen und dringend benötigten Brauereien geschaffen werden konnten, mußte das hierzu nötige Kapital besorgt werden. Es wurde Fremdkapital in Form von Aktien bereitgestellt, das es auch vor allem branchenfremden Finanzkreisen erlaubte, sich am Wachstum und dem damit entstehenden Profit zu beteiligen. In Köln entstand damals die bis heute andauernde Marktstruktur, kleine und mittlere Familien-Betriebe und große als Aktien-Gesellschaft geführte Industrie-Betriebe. In neuester Zeit verwischen sich zwar die Formen, aber das Grundmuster ist im Allgemeinen noch heute so gültig.

Diese wirtschaftliche Entwicklung hatte natürlich nicht nur Vorteile, die Nachteile spürten die unterkapitalisierten Klein-Betriebe, die traditionellen obergärigen Hausbrauereien bald mit aller Härte. Ein Braubaus-Sterben begann, dem viele jahrhundertealte Betriebe zum Opfer fielen. Berühmte Namen wie die Brauhäuser "Zum Holz", "Zur Rübe" und "Zum Esel" verschwanden aus der Kölner Brau-Landschaft. Bis zur Jahrhundertwende verringerte sich die Zahl der Hausbrauereien um die Hälfte. Dafür entstanden immer mehr industrielle Brau-Betriebe, die nach modernen Fabrikationsmethoden große Mengen an untergärigem Bier herstellten.

Ein typisches Beispiel einer solchen Neugründung war die Cölner Actien Brauerei in Alteburg am Rhein. Wer heute den Bayenthalgürtel in Richtung Rheinufer fährt, ahnt nicht, dass hier rechter Hand vor 70 Jahren Kölns erste und größte industrielle Brauerei stand. Optischer Mittelpunkt war die auf dem Gelände gelegene Alteburger Mühle, eine Windmühle, deren Turm-Torso heute noch zu sehen ist (An der Alteburger Mühle Nr. 6). Im Mittelalter war diese Gegend Kirchenland von St. Severin und ging nach der Französischen Revolution in private Hände über. Zuerst als "Gut Alteburg" und "Englischer Park" genutzt, erwarb 1813 Ludwig Böcking das Gut und errichtete hier den ersten industriellen Betrieb, eine Knochenmühle und Kalkbrennerei. 1845 kaufte dann Paul Joseph Hagen das Grundstück. Er besaß schon mehrere andere Grundstücke weiter südlich, unter anderem den Gutshof, den er nach seiner Tochter "Marienburg" nennt. Das Grundstück an der Alteburger Mühle wurde fortan auch industriell genutzt.

Hier gründete im Jahre 1873 die Cölner Actien-Bier-Brauerei einen Braubetrieb für untergäriges helles Tafelbier, hochfeines Lagerbier, dunkles Export-Bier, aber auch (in kleinen Mengen) für obergäriges Kölsch-Bier. Das in unmittelbarer Nähe am Rhein gelegene Wasserwerk lieferte das Brauwasser und war wohl auch ausschlaggebend für die Standortwahl. Der Zeitzeuge Wilhelm Scheben schreibt im Jahre 1880 über das Unternehmen: "Die bedeutendste Brauerei im Kölner Bezirk ist die Rheinische Brauerei-Gesellschaft Alteburg bei Köln (wie sie ab 1876 firmierte). Diese entrichtete im Jahre 1878/79 an Brausteuer 48.592 Mark; sie liefert ein gesuchtes Fabrikat und steht, was ihre Betriebseinrichtungen betrifft, auf der Höhe der Gewerbe-Entwicklung". Die Steuersumme galt für einem Ausstoß von etwa 50.000 hl und entsprach somit einer Mark für 100 l was wiederum einem Pfennig pro Liter und 0,3 Pfennig pro Glas Kölsch bedeutete. Die Betriebsanlagen der Brauerei brannten im Jahre 1 892 fast vollständig ab, wurden bis zum Jahre 1 894 wiederhergestellt und durch eine moderne Malzfabrik komplettiert. In der Zeit um die Jahrhundertwende bis zum Ende des Ersten Weltkriegs florierte die Rheinische Brauerei-Gesellschaft Alteburg. Dann, bedingt durch Krieg und wirtschaftliche Schwierigkeiten, übernahm ab 1918 die Hirsch-Brauerei AG (heute Dom-Brauerei) im benachbarten Bayenthal das Unternehmen. Im Jahre 1920 wurde der Braubetrieb eingestellt, 1927 wurden die Gebäude abgerissen und durch eine Villenbebauung ersetzt.

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Ein anderes Beispiel wirtschaftlicher Entwicklung war der Versuch kleiner, aber innovativer Hausbrauer, in die Phalanx der kapitalstarken Großen einzudringen, war die Germania-Brauerei von Joseph Stauff auf der Bonner Straße 324. Brauereien und Brauhäuser waren speziell in der Stadt Köln und ihrem Umland ständige Spekulations- und Handelsobjekte. In manchen Brauhäusern wechselten die Besitzer schneller als die Köbesse. Ihren Höhepunkt erreichte diese Entwicklung in der 2.Hälfte des 19. Jahrhunderts bis um die Jahrhundertwende. Viele träumten damals vom schnellen Reichtum und riskierten finanziell Kopf und Kragen. Allerdings war auch der unternehmerische Einsatz gewaltig. Die sogenannten Gründerjahre produzierten viele heute noch weltbekannte Unternehmen. Es wurde geplant und gebaut in nie dagewesenen Dimensionen. Die Kölner Brauerfamilie Stauff ist für den Trend dieser Zeit geradezu ein Parade-Beispiel. Ihre Wirtschafts-Story begann im Schatten von Maria Lyskirchen auf dem Holzmarkt Nr.19. Hier am Rheinufer übernahm der Brauer Joseph Stauff 1857 eine kleine Hausbrauerei von einer Witwe Schüller. Dieses Unternehmen muß ihm in kurzer Zeit so viel Gewinn eingebracht haben, daß er schon nach zwei Jahren eine weitere Brauerei nebst einem Doppelhaus auf der Severinstr. 199 erwerben konnte. Die Hausbrauerei auf dem Holzmarkt lief inzwischen lustig weiter und wurde 1861 von Quirin Stauff übernommen und bis 1865 von diesem weitergeführt. Dann hatte auch dieser genug verdient, um eine neue Brauerei auf der Severinstraße 66 zu kaufen. Der hafennahe Holzmarkt hatte sich als wahre Goldgrube für die Stauffs erwiesen. Nun wurde auf der verkehrsreichen, gewinnträchtigen Severinstraße gebraut. Man wollte ganz nach oben. Joseph Stauff, der Gründer blieb mit seiner Brauerei bis 1888 im Hause Severinstraße 199. Doch zwischenzeitlich, im Rausch der Gründerjahre zog es auch ihn noch hinaus in die Vororte. Hier gab es billiges Bauland und Platz in Hülle und Fülle. Auch die Lage für seine neue Dampfbrauerei, die er im Jahre 1878 an der Bonner Straße Nr. 324 im Vorort Arnoldshöhe erbaute, war vielversprechend. An der belebten Hauptstraße Köln-Bonn war immer etwas los. Hier kehrten die Fuhrleute, die ihre Fracht in die Stadt gebracht hatten, ein. Hier löschten die "Kappesbuure" aus dem Vorgebirge ihren Durst, wenn sie ihre Ware in Köln losgeworden waren, und an Sonn- und Feiertagen pilgerten die Kölner in Scharen über die schattige Allee hinaus aus dem Severins-Viertel am "Dude Jüdd" vorbei ins Grüne. Hier konnten die Städter an schönen Sommerabenden im Biergarten sitzen oder im großen Saal Billard und Karten spielen. Hier war, wie man heute sagen würde, immer der "Bär los". Und Joseph Stauff braute sein Bier dazu. Im Jahre 1888 zog er sich nach dreißigjähriger Tätigkeit aus seiner Brauerei in der Severinstraße zurück. Ein Jahr danach, im Jahre 1889, übernahm sein Sohn Heinrich auch die Brauerei an der Bonner Straße.

Heinrich Stauff, nun schon die zweite Brauergeneration, legte jetzt erst richtig los. Er modernisierte und vergrößerte, baute ein neues Haupthaus direkt an der Straße und nannte das Unternehmen in vaterländischem Stolz Germania Brauerei von Heinr. Stauff. Die "Germania" brachte es zwar zu einem gewissen Ansehen, doch den großen Durchbruch erreichte sie nie. So schloß sie denn auch bereits nach nur sechzehn Betriebsjahren und wurde 1905 von der Konkurrenz, der Adler/Hirsch-Brauerei geschluckt. So wie der Germania ging es in jener Zeit vielen Neugründungen. Aber auch die großen Brauereien hatten ihre Sorgen und es entstand ein ständiges Kommen und Gehen auf dem Kölner Biermarkt, das durch Fusionen noch intensiviert wurde.

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Die Einführung des Flaschen-Bieres schafft den großen Durchbruch

Nun hätten alle Erfindungen und Modernisierungen wenig genützt, wenn es nicht gelungen wäre, den Fluß des nun in Strömen fließenden Bieres so zu kanalisieren, daß er auch jedermann erreichen konnte. Hatte man früher sein Bier in der benachbarten Kneipe getrunken oder mit der offenen Kanne zum schnellen Verzehr ins Haus geholt, so bot sich mit der industriellen Massenfertigung von Bierflaschen die Möglichkeit, Bier portionsweise und zeitlich unabhängig zuhause zu konsumieren. Mundgeblasene Bier-Flaschen hatte es schon (in Belgien und Holland bereits seit Mitte des 18. Jahrh.) gegeben, die meist verkorkt oder versiegelt waren. Doch sie waren schon durch den hohen Herstellungs-Preis nur begrenzt einsetzbar und auch die Verschlußtechnik war aufwendig und selten perfekt. Zwei Erfindungen sorgten für die Lösung beider Probleme. 1875 erfand der Berliner Karl Dietrich den Bügelverschluß mit Porzellan-Kappe und Gummi-Dichtung, der eine optimale Lösung darstellte und teilweise heute noch in Gebrauch ist. Flaschen hatte man bereits von 1886-1889 in Pittsburgh/USA in einem halbautomatischen Verfahren hergestellt. In USA wurde 1898 auch der vollautomatische Owens-Rundläufer mit 15 Flaschen-Blasstationen erfunden. Diese Automaten wurden knapp zehn Jahre später bei Apollinaris in Sinzig in Betrieb genommen. Die Gerresheimer Glashütte gründete zur selben Zeit in Berlin die Euro-Flaschen-Fabrik, die eine Jahresproduktion von 140 Mio Bierflaschen angab. Wie wichtig das Thema Flaschen-Bier in dieser Zeit war, dokumentiert sich in der Tatsache, daß der spätere Reichskanzler Stresemann seine Doktorarbeit über dieses Thema schrieb.

Die flächendeckende Einführung der maschinell gefertigten Bierflaschen führte nach kurzen Anfangsschwierigkeiten, die Verbraucher konnten sich nur sehr schwer an das Flaschenpfand gewöhnen, zu einer enormen Steigerung der Bier-Produktion. Um dem Missbrauch durch Fremdabfüllung mit minderwertigen oder gepanschten Bieres vorzubeugen, gingen die Brauereien dazu über, ihre Firmennamen ins Glas prägen zu lassen. Dieser Tatsache und dem Fleiß vieler Sammler verdanken wir heute einen genauen Überblick über das Bier-Angebot jener Anfangszeit.

An den Hausbrauern ging diese Entwicklung weitgehend vorbei, weil sie nach wie vor nur in Fässern abfüllten, wie das heute in Köln nur noch die Obergärige Hausbrauerei Päffgen praktiziert. Ansonsten hat sich die Bierflasche als Haupt-Produktträger auf der ganzen Linie durchgesetzt. Das Gefälle zwischen den beiden Anbietern, private Klein- und Mittelbetriebe und Konzern-Brauereien, blieb davon unberührt.

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Pasteur, Hansen & von Linde - die geistigen Väter des modernen Bieres

Wenn Sie, lieber Bierfreund, das nächste Mal zu Ihrem Kühlschrank gehen und ihm eine gut gekühlte Flasche Ihres Lieblings-Kölschs entnehmen, wird Ihnen vielleicht der Name Linde einfallen. Denn Carl von Linde verdanken Sie auch dieses heute für uns alltägliche Zivilisationsmöbel, den Kühlschrank Er erfand 1876 die moderne Kühltechnik und war damit bahnbrechend an der Weiterentwicklung der deutschen Braukunst beteiligt. Der Kölner Carl von Linde war einer der Erfinder, die das Bierbrauen von Grund auf revolutionierten: Der erste Lorbeer gebührt allerdings dem Franzosen Louis Pasteur, der die Basisarbeit leistete, der zweite dem großen Erfinder, dem Dänen Emil Hansen, der dann die Brauhefe erfand, die eine gleichbleibend gute Bierqualität garantierte.

Der Dritte im Bunde, Carl von Linde, setzte dann das bewußte Pünktchen auf das i, denn seine Kältemaschine erlaubte nun auch einen ständigen Zugriff auf eine gewünschte Temperatur. Diese war notwendig, um in den großen industriellen Brauereien im untergärigen Brauverfahren große Mengen von untergärigem Bier als Export, Pils, Hell oder Lager zu produzieren und die ständig steigende Nachfrage zu befriedigen. Bis zu 90% des gesamten europäischen Bierausstoßes um die Jahrhundertwende wurden nämlich untergärig gebraut. Um die ganze Tragweite der großen industriellen Umwälzungen zu ermessen, muß man sich die Situation vor der Einführung der neuen Erfindungen von Louis Pasteur, Carl von Linde und Emil Hansen einmal vor Augen führen. Was trank man damals? Es gab weder Pils, Helles noch Export, auch unser heutiges Kölsch war weder vom Geschmack noch gar vom Namen her bekannt. Es gab meistens obergärige, einfache Biere, deren Qualität weitgehend dem Zufall überlassen war. Um untergärige Biere, die eine durchgehende Gärtemperatur von 4-9°C benötigen, zu kühlen, brauchte man riesige Mengen an natürlichem Eis oder Felsenkeller wie in Niedermendig, wo einige große Kölner Brauereien ihre Biere reifen ließen. Einer dieser Keller der Vulkan-Brauerei ist noch heute zu besichtigen.

Doch wer waren die Männer, die hinter den Wissenschaftlern standen und ihnen ihre Erfolge erst ermöglichten? Es war ein kleiner Kreis von Brauern, die alle eng befreundet gemeinsam die Weichen für die Zukunft stellten. Als Motor fungierte der Münchner Gabriel Sedlmayer, Eigentümer der Spaten-Brauerei. Er führte als erster die Dampfkraft in den Brauprozeß ein, stand in Verbindung mit Louis Pasteur und ermöglichte Carl von Linde den Bau seiner ersten Maschine zur Herstellung der künstlichen Kühlung. Bei den Sedlmayers lernte ein junger Däne namens Christian Jacobsen, der später die heute weltbekannte Brauerei Carlsberg in Kopenhagen gründete. Er kam mit seinem Bier schnell zu Ansehen und Reichtum. Jakobsen förderte später einen jungen dänischen Wissenschaftler namens Emil Hansen, der im Jahre 1881 die ersten rein gezüchteten Hefezellen mit untereinander gleichen Eigenschaften herstellte. Die erlaubten, die Biergärung immer gleich zu steuern und so eine ständig gleich bleibend gute Qualität zu garantieren. Damit waren alle Bedingungen erfüllt, um die Biere zu brauen, welche wir heute trinken: klare, helle unter- und obergärige Biere mit immer der gleichen guten Qualität in Geschmack und Aussehen. - Leider fand der Kölner Carl von Linde in seiner Vaterstadt nie die Anerkennung und finanzielle Unterstützung, um hier seine revolutionären Ideen durchzusetzen. (FM)

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