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Wenig Hopfen und viel Trümmer-Malz –
Besatzung und Wiederaufbau (1945-1955)

Interview mit Hans Sion

Hans Sion
Hans Sion

von Franz Ludwig Mathar

... In Ihren Schilderungen der Besatzungszeit taucht oft der Begriff "Trümmer-Malz" auf. Was bedeutete der?

"In der Zeit kam Dr. Huisges auf die Idee mit dem "Trümmermalz", weil es ja kaum Malz gab, das war der entscheidende Grund. Der Trick war, um illegale Malzlieferungen dadurch zu legitimieren, daß man den Besatzungsbehörden erzählte, in manchen zerstörten Brauereien sollte sich noch in den Trümmern lagerndes Malz befinden. Das war allerdings inzwischen, wie wir es scherzhaft nannten "Bamberger Raupen-Malz" (verdorbenes Malz) geworden und somit völlig unbrauchbar. Doch diese Tatsache brachte uns Brauer auf diesen "nützlichen" Gedanken.

"Der Beauftragte für die Landwirtschaft in unserer englischen Besatzungszone war Dr. Bert von Wassermann. Wir sind dann zu den Engländern aufgebrochen und haben denen erklärt, daß wir noch ungeheure Mengen Malz in den Trümmern hätten, das geborgen werden müßte, damit es der Ernährung des notleidenden Volkes zugeführt werden könnte. Dieses "Trümmer-Malz" aber nahm und dann nahm kein Ende. In Wirklichkeit wurde es nachts "illegal" aus Malzfabriken von Kalscheuren oder Euskirchen nach Köln gebracht und so dem Zugriff der Besatzung entzogen. "

"Ich war ja selbst einmal Mälzer gewesen und habe auch zeitweise eine eigene Mälzerei in Horrem besessen, deshalb kannte ich die Materie. Ich kann mich nur erinnern, daß wir einmal die an einem kalten Januarmorgen nach Kalscheuren gefahren sind um "TrümmerMalz" zu holen und in der Mälzerei brannte eine Leitung. Darunter lagerte das wertvolle Malz und wäre beinahe verbrannt. Glücklicherweise konnten wir den Brand löschen und unser "Trümmer-Malz" retten. Aber die Aufregung war trotzdem riesengroß. Auf diese Art und Weise haben wir wieder angefangen legal zu mälzen. Mit einem Teil dieses Malzes habe ich bei der Brauerei Früh gebraut und habe das andere weiter verteilt. Selbst die Dom-Brauerei und die Bergische Löwenbrauerei haben mit unserem "Trümmer-Malz" brauen können. "

... Und wie stand es mit der Hopfenlieferung, die Verbindungen in die traditionellen Anbaugebiete waren doch unterbrochen?

"Ja, das war besonders schwierig und manchmal sogar abenteuerlich. Es gibt eine verbürgte Geschichte, die zeigt welche gewaltigen Anstrengungen unternommen wurden um an Rohstoffe zu kommen. In diesem Falle handelte es sich um den "lebenswichtigen" Hopfen. Über Beziehungen hatte ein Kölner Brauer erfahren, daß sich in einem Tunnel im Siegerland ein Waggon befände, der nur abgeholt werden müsse. Nun braucht man zum Waggon abholen etwas ganz wichtiges, eine Lokomotive. Doch woher sollte man zu dieser Zeit eine solche legal herbekommen. Es war also wieder das Organisationstalent gefragt. In einer größeren Schokoladenfabrik im Kölner Stadtbereich existierte eine Diesel getrieben Werks-Lokomotive, die den englischen Besatzungstruppen unterstand und die Besatzungssoldaten brauchte man auch zum Schutz des Transportes. Mit viel "Schabau", Bier und Wein brachte man diese dazu, das "Unternehmen Hopfenklau" durchzuführen. Ein Lokführer wurde gefunden, die "Tommies" stellten Diesel und Geleitschutz und man fuhr los. Man fand den Waggon zog ihn mit dem Rest des Zuges aus dem Tunnel und brachte ihn nach Köln. Bei der Ankunft bot sich dann folgendes Bild: Im Führerstand ein zitternder Brauer und der Lokführer, vorne auf der Lok drei leicht angetrunkene, aber schwer bewaffnete englische Soldaten und dahinter ein Waggon voll mit bestem Hallertauer Hopfen. Dieser, gemeinsam mit dem "Trümmermalz" halfen dann den Rohstoffbedarf der verbliebenen Brauereien für eine gewisse Zeit sicherzustellen. Man sieht also: Not macht erfinderisch."

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... Wie wurde denn der "Schwarzmarkt" mit dem Bier abgewickelt, wie kann man sich wie kann man sich das vorstellen?

"Da gab es viele verschiedene Kanäle, nicht nur einen. Einer sagte es dem anderen und so wurde die "Nachricht" mündlich weiterverbreitet. Meist wurde das Bier dann auch abgeholt. Diese Lieferungen waren ja sehr begehrt, weil die wenigen Wirtschaften ihren speziellen Kunden richtiges Bier anbieten wollten, wer konnte das schon? Vor allem von den Baufirmen wurden man glänzend bedient, wenn sie denen richtiges Bier zukommen ließen. Da war es schon ein Wert in sich, das Bier zu haben. Auch Handwerker und Arbeiter taten alles, wenn sie Bier bekamen. Als es 1948 nach der Währungsreform wieder offiziell Bier für alle gab, sind die Leute mit Kannen und Pötten in die Kneipen hingelaufen und haben stundenlang angestanden, um Bier zu bekommen."

... Wann fasste das Braugewerbe denn so langsam wieder Tritt und wo dampfte zuerst wieder der Sudkessel?

"Von den größeren Brauereien waren nur die Dom- und die Bergische-Löwenbrauerei einigermaßen unversehrt stehen geblieben. Diese hat ja auch in der ersten Nachkriegszeit mit dem sogenannten "Trümmermanns-Malz" gebraut. Davon hätte ich auch gerne hier und da einen Hektoliter abbekommen. Das machten der "Alte" Greven und sein Bruder, der "Doktor" Greven. Der "Doktor" machte jeden Morgen seinen "Propagandagang" über den Brauereihof und dann entschwand er und begab sich ins das stehengebliebene Café Reichardt. Jeder Besucher, der dort herein kam, warf seine Kippen in einen Behälter. Von diesen Kippen stopfte er dann seine Pfeife. Da sagte ich einmal zu dem Herrn Greven, die waren ja ziemlich betucht, sie könnten sich doch auch einen anderen Tabak leisten. Er behauptete aber, er könne sich keinen besseren leisten."

... Wie hatten die anderen denn das Kriegsende und die Zerstörung überlebt?

"Der Hubert Esser von der Eigelsteinstorburg zum Beispiel, der war immer ein bißchen, wie soll ich sagen, eigenbrötlerisch. Der hat sich, das hat er mir selbst erzählt und auch im Keller gezeigt, bei Kriegsende einmauern lassen. Er hatte alle seine Wein- und Schnapsvorräte in den Keller geschafft und hat sich dann von den Angestellten zumauern lassen, mit dem Auftrag, nach 14 Tagen wieder aufzumachen. Er hatte damit gerechnet, daß die Amerikaner plündern würden, wie das die Nazi-Propaganda immer gesagt hatte, wenn die hier in meine Schnaps- und Weinlager kommen, dann saufen die das alles weg. Da hat er sich eben einmauern lassen und nach vier Tagen kam ein Verwandter, der ihn wieder "befreit" hat. "

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... Welche der Kölner Brauereien den Zweiten Weltkrieg überlebt und wer konnte hier noch brauen?

"Von den Brauern, die 1945 bei Kriegsende im Telefonbuch der amerikanischen Besatzungstruppen benannt sind, war übrigens der Sester, aber mit einer Adresse in Junkersdorf, weil die Sesters ursprünglich eine Brennerei in Widderdorf betrieben hatten. Der "Widdersdorfer Buur", hat man ihn immer genannt. Der eine der Gebrüder Sester, das war der Springreiter, den hat man einmal beim Sprung fotografiert. Dieses Foto hat dann die Firma Okasa benutzt und hat mit diesem springenden Sester und dem Pferd Reklame für die "Manneskraft" gemacht. Da hat unser damaliger Geschäftsführer, Herr Rechtsanwalt Eckhard, für ihn den ersten Prozeß für das "Recht am eigenen Bild" geführt. Das ist auch eine historisch-juristische Besonderheit, denn zum ersten Mal wurde ein "sinnliches" Schmerzensgeld gezahlt. Er bekam glaube ich 10.000 DM. Das war ungefähr so in den 50iger Jahren. Die Sesters hatten vor dem Krieg eine sehr erfolgreiche untergärige Biermarke, das war das "Sester-Kristall".

... Wer waren denn die ersten, die wieder Tritt faßten?

"Um von Godesberg in die Marienburg vorzudringen, habe ich wirklich einen ganzen Tag gebraucht. Das waren so die Zeitspannen die man einplanen mußte um von A nach B zu kommen. Köln war total zerstört, es gab weder Verkehrsmittel noch Straßen, nur Trümmer und ausgebrannte Häuser. Man konnte in dieser Zeit problemlos vom Heumarkt zum Dom schauen Doch in den Ruinen regte sich so langsam wieder zu Neuanfang und Wiederaufbau. Doch zuerst einmal kam die Vorwährungszeit, mit Mangel, Hunger und Not. Meine erste Tätigkeit nach dem Zusammenbruch war in einer der Mühlen auf der anderen Rheinseite. Ich war der Auffassung, wenn ich beim Getreide anfange, dann wird es wohl beim Bier wieder aufhören. Es war ja alles zerstört. Mein Nachbar von nebenan, der Konditor Beckers, er ist schon lange tot, war bei Litzmanns-Mühle in Deutz beschäftigt. Ich habe zu ihm gesagt, Beckers, wenn sie arbeiten wollen, dann arbeiten Sie doch. Dann hat er sich auch dazu entschlossen und mich gleich mitgenommen. Wir beide haben dann als erste wieder aufgebaut. In Poll mußte man damals eimerweise das Wasser von einer Pumpe holen. Das muß man sich einmal vorstellen. Bei Auer war ich war in der Firma das "Mädchen für alles". Ich habe Benzinscheine organisiert und vor allen Dingen - habe ich das Mehl an die Bäcker verteilt. Aber ich muß aber ehrlich sagen, ich habe für mich nie etwas abgezweigt. Nur Freitags, für meine 13 Mäuler, die ich in Godesberg hatte, habe ich natürlich Brot und Mehl mitgenommen. Das war aber auch alles. Ein Freund von mir war damals in der SPD. Ich sagte, Paul, Du bist verrückt, du läufst nur den ganzen Tag für die Fraktion und nebenbei "entschuttest" Du auch noch. Du machst und kümmerst Dich um alles, denk doch mal an Dich selbst. Er hatte auch bei mir gratis "entschuttet", (so nannte man zu dieser Zeit das obligatorische Trümmer wegräumen). Ich habe ihm gesagt, du kannst immer zu mir nach Deutz in die Mühle kommen. Wir sind das "Haus der guten Nudeln", die kannst Du immer bei uns haben. Er hat aber nie Gebrauch davon gemacht. Zu Schumachers Zeiten habe ich auch eine zeitlang mit den Sozis geliebäugelt. Ich war mit dann aber doch nur mit ihnen befreundet, bin ich ja heute auch noch. Damals gab es ja auch eine ernsthafte Diskussion den Hauptbahnhof vom Dom wieder weg zu verlegen. Es gab zu dieser Zeit aufregende Ideen, alles war möglich, Köln sollte in Wesseling wieder aufgebaut werden und ähnlicher Schwachsinn. Ja, das waren alles Ideen, aber die konnten ja die Eisenbahnbrücke und nicht ohne weiteres wegmachen. Auch die Brücken kamen so langsam wieder in Betrieb. Die erste war die sogenannte "Patton-Bridge", nach dem amerikanischen General Patton genannt, der sie hatte bauen lassen. Sie befand sich in der Höhe der Bastei. Vorher gab es allerdings schon eine andere amerikanische Brücke, die lag rechts von der zerstörten Deutzer Brücke. Dir Erlaubnis über die Brücke gehen zu dürfen war mit der Bedingung verbunden, daß man mit Erfolg entlaust war."

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... Wer waren nun die "Männer der ersten Stunde" im Kölner Braugewerbe?

„Diese Männer der ersten Stunde, das waren unter anderen der Klein von der Bitburger, der wollte unbedingt wieder Bier verkaufen. Er hat alles an Bier zusammengeholt, was er zusammenholen konnte und was irgendwie auch nur entfernt nach Bier aussah. Das gab natürlich ungeheure Schwierigkeiten, aber die Leute waren ja bescheiden in ihren Ansprüchen. Sie haben das gar nicht so in dem Maße gemerkt, wie der allmähliche Aufstieg kam. Zuerst wurde von der Militärregierung nur ein fast alkoholfreies ein Schankbier genehmigt, danach ein Bier mit 7 oder 8% Stammwürze. Hier in Köln war ja englisches Gebiet. Die Engländer brauten Bier für ihre Besatzungssoldaten in Frechen. Ich glaube, als erstes hat die Brauerei Metzmacher in Frechen Bier für die Alliierten Soldaten brauen dürfen, die hatten ja auch Durst. Davon wurde für "gute Freunde" auch so manches Faß abgezweigt. Die Kölner Brauer, die ja keine Rohstoffe bekamen, mußten sich allerhand Tricks einfallen lassen. Ich will ganz ehrlich sein. Ich habe damals dieses sogenannte "Trümmermalz" miterfunden. Wir bekamen von den Engländern die entsprechende Genehmigung, bei Früh zu brauen. Mein alter Braumeister wurde, direkt als in meiner Brauerei alles zerstört war, Braumeister von Früh. Dann kam diese "Trümmermalz"-Geschichte und ich habe für alle Brauereien, die nicht mehr braufähig waren, bei Früh gebraut. Der Peter Immendorf von Früh, der noch eine etwas passive Einstellung hatte, überließ mir das Organisieren. Braufähig waren kurz nach Kriegsende nur noch die Dom-Brauerei, Päffgen und die Bergische Löwenbrauerei. Die Brauerei Päffgen hat ab Ostern 1949 wieder offiziell Bier verkauft, gebraut haben die aber vorher schon. Da war noch die Bergische Löwenbrauerei. Um das von eben noch einmal aufzugreifen. Ich habe dann bei Früh für alle gebraut und jeder bekam eine Zuteilung, zwei, drei Hektoliter in der Woche. Dafür konnte man Zement kaufen usw. Da ich das so großartig gemacht hatte, bekam ich auf einmal, wie ein warmer Regen, auch von der Dom-Brauerei und von der Bergischen Löwenbrauerei, jeden Monat einen Hektoliter Bier. Ich bin daran gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Die haben alle mit "Trümmer-Malz" brauen könne, ich vermute auch der Hermann Päffgen. Mit Bier konnte man damals einiges machen. Bei mir war es so, daß ich keine Braugenehmigung mehr bekam. Unter Taschenmacher war ja wirklich alles "platt". Und es war rückschauend betrachtet auch gut so, ich habe im Grunde erst 1951 wieder offiziell angefangen. Der alte Herr Peters aus Monheim und ich sind im selben Alter. Der durfte auch nicht brauen, aber die hatten hier in Köln Spezialausschänke, wo sie Schnaps verkauften, den sie selbst herstellten. Die haben ihr Geschäft damals fast ausschließlich mit Spirituosen gemacht. Die hatten dasselbe Problem, sie wollten brauen, aber konnten nicht, weil so viel kaputt war. Sie kauften ihr "Molkebier" (ein Ersatzbier) bei der Brauerei in Hitdorf, wo auch die Brauerei Ganser kaufte. Wenn damals einmal in Hitdorf, bei Ganser oder bei Peters einer von Kölsch gesprochen hätte, daß die einmal brauen würden, das hätte keiner geglaubt. "

... Gab es denn auch sagen wir mal "negative Erfahrungen" mit anderen Kölner Brauern?

"Ja für mich sehr negativ endete die Affäre Hilgers vom Gürzenichbräu. Vielleicht sollte man dazu sagen, das Brauhaus das war die sogenannte Bier-Insel gegenüber vom Gürzenich, wo heute noch die Stadt-Schänke ist. Das alte Brauhaus lag aber um die Ecke zur Sandkaul. Ich habe nach dem Krieg da wieder anfangen wollen. Das ist mir aber nicht gelungen, da bin ich nämlich geschäftlich hereingefallen. Da habe ich das erste Mal in meinem Leben 16.000 DM verloren. Die das Gelände dann erworben hatten, wußten gar nicht was für ein Juwel das war. Das Sudhaus stand praktisch noch. Da hat man dann ein Hotel draus gemacht und alles so einen Kram. Aber der Heinrich Hilgers, der kam sich als der Größte vor. Der braute, glaube ich, vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 6.000 Hektoliter. Das war ganz anständig, aber nicht so toll wie er auftrat. "

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... Wie sah es denn hier Unter Taschenmacher aus, was stand noch?

"Ich erinnere mich noch daran, daß auf dem Gelände hier nur noch ein kleines Haus im Trümmerfeld stand. Und interessanterweise, daneben standen irgendwelche Stangenbohnen in einem provisorischen Garten. Daneben war unser "Trümmer-Biergarten." Als ich meinen ersten Volkswagen nach dem Kriege bekam, da war die Garage hier wo jetzt die Schenke ist. Dann habe ich hier einen offenen Biergarten eröffnet. Es war ein "Biergarten" im wahrsten Sinne des Wortes, denn hier stand ja nichts. Wir haben ja die Bilder vom August Sander, wo hier an "Unter Taschenmacher" Stangenbohnen wachsen. An der Ecke der Straße zum Dom hin befand sich das Haus Saaleck, das ja historisch sehr wertvoll war, aber war fast vollständig zerstört. Die ganzen übriggebliebenen Steine wurden dann von Frl. Dr. Adenauer, die war zu dieser Zeit ja die Konservatorin, einzeln numeriert. Weil ich nun eine Beleuchtung in der Straße brauchte, habe ich sie damals aufgesucht, um von Ihr Unterstützung zu bekommen. Ich habe ihr gesagt: "Hören sie Frl. Dr. Adenauer, sie müßten doch auch Wert darauf legen, daß hier wieder Licht hinkommt". "Ja, warum denn das"?, hat sie gefragt. Da habe ich Ihr gesagt: "Sehen sie sich das Grundstück von Haus Saaleck in seinem jetzigen Zustand doch einem an, das ist ja das reinste Freiluft-Bordell". Ich wollte mich ja vornehm ausdrücken. Da sagt sie: "Hören sie, das müssen sie mir aber erst beweisen". "Dafür kann ich mich aber nicht zur Verfügung stellen", habe ich ihr dann entgegnet und sie war damals sehr verlegen. Die Sache wurde dann in meinem Sinne ausgeführt. Als ich nachher Stadtverordneter war, hatte ich die Personalsachen unter mir. Als sie befördert werden wollte, habe ich sie scherzhaft an dieses Gespräch erinnert, worüber sie dann leicht errötete."

... Welche von den beliebten, alten Brauhäusern der Vorkriegszeit waren denn erhalten geblieben?

"Das waren nur ein paar wenige, zum Beispiel das "Haus Töller" am Barbarossaplatz. Der Wirt hieß nur "der alte Esser". Von ihm wurde behauptet, daß er die Aschenbecher und Bierdeckel immer geradegerückt und in Reih und Glied wie die Soldaten aufgereiht hat. Sein Sohn und Nachfolger, der junge Esser, hatte eine besondere historische Beziehung zum Kölsch. Er ist mittlerweile auch schon tot. Wir nannten ihn "dä akademische Zappjung". Er hatte nämlich studiert, war somit Akademiker und pochte auch sehr darauf. "

... Gab es denn in diesem Zusammenhang etwas besonderes zu berichten, oder warum erwähnen Sie Herrn Esser?

 "Ja, wir Brauer hatten uns eines Tages im Haus Töller zusammengefunden, und haben beratschlagt, wie geht es nun weiter in Köln mit dem Bierbrauen, wir brauchten ja vor allem neue Hefe, da von den ehemaligen Hefekulturen kaum eine den Krieg überlebt hatte und die Backhefe war ja nur ein schlechter Ersatz. Da ist der junge Esser auf eine grandiose Idee gekommen, das war eine tolle Sache. Ich hatte Beziehungen nach Dänemark und so ist er irgendwie nach Kopenhagen zur Carlsberg-Brauerei gefahren und hat von dort wieder die erste obergärige Hefe mitgebracht. Darauf ist er immer mächtig stolz gewesen und wir Brauer haben ihm dieses Verdienst auch immer hoch angerechnet. So kam es also, daß wir heute in Köln wieder ein obergäriges Bier brauen können. Doch das erste Kölsch nach dem Kriege stammte also ursprünglich aus Kopenhagen. Denn die Hefe aus Dänemark, das war noch Reinzucht, die war nicht unrein, deshalb konnten wir sie auch gut gebrauchen. Das weiß auch fast keiner, das fällt mir jetzt auch durch unser Gespräch erst wieder ein. Das war also der Ursprung des Nachkriegs-Kölsch. Der Esser hat auch mir dann die obergärige Hefe überlassen, er wurde dadurch später mein Kunde. Ich hatte an sich zwar auch gute Beziehungen zur Carlsberg-Brauerei, es ist aber das bleibende Verdienst des damals jungen Esser, Carlsberghefe nach Köln geholt zu haben. Er ist vor ein paar Jahren mit 85 Jahren gestorben."

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... Welchen Bezug hatten Sie denn zur Carlsberg-Brauerei und gab es andere internationale Verbindungen?

"Wir hatten während meines Studiums in München einen Stammtisch, da waren außer mir nur ausländische Brauer als Teilnehmer. Wir nannten uns "die tobenden Ritter". Auf diese Art und Weise bin ich übrigens auch nach Amerika gekommen. Unter den Mitgliedern waren auch ein Herr Hasselbeck von der Kopenhagener Carlsberg-Brauerei, waren da auch Schweden und auch Holländer Unsere Beziehungen waren auch während des Zweiten Weltkrieges immer gut gewesen und geblieben, solange diese Leute da waren. Nun waren im allgemeinen die Holländer und die Dänen uns nach dem Krieg nicht so gut gesonnen, doch es gab es quasi immer eine übernationale Kooperation der Brauer. Ich möchte damit sagen, daß es unter Brauern so gewesen ist, auch nach dem Zweiten Weltkrieg. Wenn sie als deutscher Brauer irgendwo anklopfen, ob Peru oder nach Thailand oder wohin auch immer, war er immer willkommen - immer. "

... Gab es denn überhaupt wieder Biergläser in der ersten Zeit nach dem Kriege, die Glasfabriken waren doch auch teilweise zerstört?

"Heute herrscht ja ein derartiger Luxus an Gläsern, wie wir ihn und in diesen Jahren überhaupt nicht vorstellen konnten. Einfache Gläser waren zwar genug vorhanden, denn die Gerresheimer-Glashütte war stehen geblieben und versorgte die Brauwirtschaft so gut sie konnte. Man nahm das, was man kriegte ohne lange zu fragen. Kölschstangen gab es anfangs allerdings nicht, oder nur einige wenige, welche die Bomben heil gelassen hatten. Die "Stange" wurde dann aber schnell wieder das gängige Kölschglas. Da das Kölsch ja an sich, man darf dies heute eigentlich nicht mehr sagen, einen möglichst geringen gebundenen Kohlesäure-Gehalt hatte und Kugelgläser diese besser festhielten, war eine Stange am besten geeignet, unser kohlensäurearmes Bier zum Ausschank zu bringen. Was im Augenblick durch die Stange gut aussah mit dem hohen Schaum, wurde nachher allerdings auch sehr schnell "platt", einen den man möglichst vermeiden wollte. 

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... Wann begannen denn wieder Ansätze einer seriösen Verbandsarbeit?

"Da hat sich anfangs, und die Ehre tue ich ihm auch gerne an, Hermann Sester sehr darum bemüht. Ich glaube, er war nicht eingezogen worden, und so war er jedenfalls während des ganzen Krieges hier in Köln und hatte so auch den besten Überblick. Auf seine Anregung hin ist dann eine Art Brauereiverband entstanden, das war aber mehr ein Ableger des Brauer-Kegelclubs. Die waren ja auch nicht untergegangen, diese "fidelen Brüder". Wir kegelten damals im Colonia-Haus. Diese halboffizielle Vereinigung bestand bis 1948, dem Jahr der Währungsreform. Es begann wohl schon sehr früh zu der Zeit, als ich noch in der Getreidemühle arbeitete, es bestand schon eine Art Organisation. Hermann Sester war darin der Vorsitzende. Ob er ernannt wurde oder gewählt wurde, weiß ich nicht. Wir tagten jedenfalls in der Funkenburg am Sachsenring, das war eines der wenigen Lokale, das noch stehen geblieben war. Entweder eine Woche vor oder eine nach dem 20. Juni 1948 hat man mich dann und nicht den Hermann Sester, er hat mir so leid getan, auf den Schild gehoben. Ich kam zu diesem Amt, wie die Jungfrau zum Kinde. Die treibenden Kräfte dabei waren Dr. Röhrig und Dr. Huisges. Es müssen aber die meisten der zahlreichen Anwesenden für mich gestimmt haben, denn ich wurde mit großer Mehrheit gewählt und auf diesem Posten bin ich seit 1948 geblieben. Hermann Sester blieb ja noch der Vorsitz der St. Petrus von Mailand Bruderschaft."

... Was spielte sich denn zu dieser Zeit in der handwerklichen Abteilung, der Brauer-Innung ab, wer war darin vertreten?

"Wir hatten ja vor dem Krieg so eine Art Zweiteilung im Braugewerbe. Die eigentlichen Hausbrauereien waren in der Innung organisiert. Da war ich auch Obermeister und bin es heute (1990) noch. Ich bin außerdem sogar noch Landes-Innungs-Meister für das Braugewerbe, das ist ein Posten, da können die anderen mit angeben. Ich habe diesen Platz aber immer freigehalten für den Rudi Päffgen, es ist mir aber nicht gelungen ihn dort rein zu bringen, obwohl ich alles versucht habe. In 6 Wochen hätte er seine Meisterprüfung in München ablegen und es dann übernehmen können. Der Vater Päffgen hat mir ja auch während des Zweiten Weltkrieges immer loyal zur Seite gestanden. Der Brauer Christen vom ehemaligen Brauhaus Marienbildchen in der Bayenstraße, der Brauer Schwartz von der Brauerei zur Malzmühle und noch einige andere, wir waren eine verschworene Gemeinschaft und somit eine "schlagkräftige" Truppe. Auch während des Krieges noch."

... Sie galten ja damals hier als eine Art Revolutionär, man könnte fast sagen Unruhestifter?

"Ja, das kann man wohl sagen. Da war die Geschichte mit der Frau Stadtkonservator Adenauer und dem Licht. Hier in der Straße gab es ja keine Beleuchtung und nichts, aber das Geschäft lief. Es wurde dann Mai und dann haben wir draußen eine Trümmergarten-Wirtschaft aufgemacht und es ging auch wieder aufwärts. Doch ich war nicht ganz allein, Leute, wie der Herr Esser vom Haus Töller, die ja früher auch einmal eine Brauerei besaßen, haben aktiv dabei mitgewirkt. Es war eine allgemeine Aufbruchsstimmung, wie man sich das heute nicht mehr vorstellen kann. Einer hat dem anderen geholfen wo er konnte. Heute ist das ja eigentlich nicht mehr ganz so der Fall. Trotzdem ist es bei den Brauern noch relativ intakt, gegenüber anderen Branchen hilft man sich auch heute noch. Früher gab es überhaupt keine Vorbehalte, der eine half dem anderen.

(FM)

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